Ausgebrannt

by Bettina Figl

Vor fünf Jahren wurde der größte Hörsaal des Landes besetzt, doch das Jubiläum gibt keinen Anlass zum Feiern. „Es ist, wie es ist, und es bleibt wie es war / Na dann ist ja alles (…) wunderbar“: Das von Streichern untermalte Lied „Wien brennt“ gilt als Hymne von Unibrennt, jener Bewegung, die vor fünf Jahren ihren Anfang nahm und diese Woche mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert wird. Während die Streicher jene Sentimentalität einfangen, mit der die Beteiligten zurückdenken, ist der Text weniger romantisierend: Verändert hat der Protest, der mit wochenlangen Hörsaalbesetzungen beachtliche Ausmaße annahm, wenig.

Dieser Artikel ist am 23.10.2014 in der Wiener Zeitung erschienen.

 

„Ist das prüfungsrelevant?“
Heute findet man an den Unis zeiteffiziente Studienpläne vor und trifft Studierende, die an schnellen Scheinen interessiert sind: Die Situation hat sich in den vergangenen fünf Jahren eher verschlechtert als verbessert. „Die Befürchtungen von damals sind eingetroffen“, sagt der Politologe Thomas Schmidinger, damals Präsident der IG externe Lektoren. Er bezeichnet den Bachelor als „Verlängerung des Gymnasiums“, und der Uni-Alltag gibt ihm recht: Die Frage nach der Relevanz der Inhalte für Prüfungen ist omnipräsent, bei den Prüfungen bitten Professoren darum, in ganzen Sätzen zu antworten und nicht in Schlagwörtern, die von Power-Point-Präsentationen auswendig gelernt wurden. Und in manchen Studienfächern muss man sich inzwischen mit Lebenslauf bewerben, um einen Professor zu finden, der die Masterarbeit betreut, so heißt es. Auch wenn Unibrennt nachhaltig nichts verändert hat, habe es auf Seiten der Unibediensteten „kleine Erfolge“ gegeben, erzählt Schmidinger: Der Betriebsrat wurde gestärkt, einzelne Lehrende erhielten dauerhafte Verträge, Lehrende werden vom Rektorat ernster genommen.

Protest als Selbstzweck
Doch für die Studierenden nimmt sich der Erfolg bescheiden aus. Zwar wurden einige von ihnen durch Unibrennt politisiert, doch die nachkommende Generation kann mit dem Begriff „Unibrennt“ kaum etwas anfangen. Kritische Stimmen sagen, die Bewegung sei vor allem Selbstzweck gewesen: Viele Studierende wollten auch einmal Teil eines „großen Protests“ sein, ihre Forderungen waren nie auf Verwirklichung ausgerichtet und zu diffus, als dass sie etwas erreichen hätten können. Von den Beteiligten wird betont, dass Bildung immerhin von einer breiten Öffentlichkeit diskutiert wurde – doch eine kritische Reflexion darüber, was Bildung überhaupt heißt und will, gab es nie.Der Tenor „Es gibt nichts zu feiern“ steht im krassen Gegensatz zur Glorifizierung des Protests, die dieser Tage zum Teil betrieben wird. In dem Dokumentarfilm „Unibrennt“ wird etwa dargestellt, die Welle des Protests sei von Wien auf die ganze Welt übergeschwappt. „Diese Proteste gibt es jährlich, und sie wurden womöglich durch die Proteste in Wien beflügelt, aber nicht mobilisiert“, sagt einer von vielen Studierenden, der an Unibrennt beteiligt war und an der Akademie der Bildenden Künste studiert.

Größter Coup: das Winterpaket
Ende 2009 ist Unibrennt dann allmählich eingeschlafen: Immer weniger Studierende kamen in den besetzten Hörsaal, kurz vor den Weihnachtsferien hat die Polizei das Audimax am 21. Dezember nach 60 Tagen Besetzung geräumt. Damals befanden sich noch in etwa 15 Studierende und 80 Obdachlose in der Universität Wien.

Dass die Bewegung auf die prekäre Lebenslage von wohnungslosen Menschen hingewiesen hat, war wahrscheinlich ihr größter Erfolg, und zumindest in Wien hat sich seither viel verbessert: Obdachlose Menschen haben im Audimax Unterschlupf gesucht, da die Wiener Wohnungslosenhilfe damals nur Obdachlose aus Wien versorgt hat. Die mediale Aufmerksamkeit hat dazu beigetragen, dass die Stadt das Winterpaket eingeführt und ihr Angebot für Menschen aus den Bundesländern, der EU und Drittstaaten geöffnet hat. „Die Solidarität von Studierenden gegenüber obdachlosen Menschen im Audimax war eine Besonderheit“, sagt Markus Reiter, Vorsitzender des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe und Geschäftsführer des neunerhauses. Es brauche aber mehr als Notschlafstellen und Tageszentren im Winter, sagt Reiter: „Wir brauchen ganzjährige Angebote.“

Zurück zu den Studentenprotesten: Wird es wieder zu Protestbewegungen wie vor fünf Jahren kommen? „Irgendwann sicher“, ist Schmidinger überzeugt, es sei aber unmöglich vorherzusehen, wann. „Hätte man mich zwei Wochen vor der Audimax-Besetzung gefragt, hätte ich gesagt, das wird nie passieren, die Studierenden seien viel zu unpolitisch.“ Man darf also gespannt bleiben, wann wir wieder eines Besseren belehrt werden.