Österreichs „Untertanenkultur“
by Bettina Figl
Antifaschistischer Widerstand wird in Österreich mit Militanz und Gewaltbereitschaft assoziiert. Wo aber beginnt Militanz? Anders als in Deutschland, wo antifaschistischer Widerstand einen breiten Konsens hat, wird dieser hierzulande – gerade im Hinblick auf die Anti-WKR-Proteste – oft mit Militanz und Gewaltbereitschaft assoziiert. Wo aber beginnt Militanz? „Es kommt darauf an, wie man Militanz definiert“, sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW). „In Österreich spricht man von Militanz, wenn Menschen eine Straße blockieren. In Frankreich werden Barrikaden angezündet und Getreide verbrannt. Aber nicht vom schwarzen Block, sondern von Gewerkschaftern.“ Und in Dresden demonstrieren CDUler genauso wie Linksautonome gegen Nazis.
Dieser Artikel ist am 22.1.2015 auf WZ Online erschienen.
„Österreich zeigt die deutlichsten Züge einer „‚Untertanenkultur'“
„Österreich weist den höchsten Prozentsatz an politisch Inaktiven und Konformisten, den geringsten an Reformisten, Aktivisten und Protestierenden auf (…) von allen untersuchten Ländern (Westeuropas, Anm.) zeigt Österreich die deutlichsten Züge einer ’Untertanenkultur‘“, heißt es in einer Studie aus 1994. Zwar sei der Autoritarismus in den letzten Jahren etwas gesunken, „aber wir spielen nach wie vor nicht in einer Liga mit anderen westlichen EU-Ländern“, so Peham.
Resistenz gegen staatliche Autorität werde hierzulande nicht durch öffentliche Manifestationen, sondern durch Apathie oder Autoritarismus geäußert, bestätigt Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien. „Rassismus und Antisemitismus ist nicht mehr nur rabiat, sondern äußert sich auch in politischer Apathie wie in Ungarn, wo es eine extrem niedrige Wahlbeteiligung gab.“
Schwach ausgeprägter ziviler Ungehorsam
Er ist sich sicher, dass der zuletzt lauter gewordene Ruf nach einem „starken Führer“ vor dem Hintergrund der aktuellen Terrordebatte noch lauter werden wird, und sagt: „Autoritätshörigkeit und schwach ausgeprägter zivilen Ungehorsam hängt indirekt zusammen. Demos haben in der Geschichte der Zweiten Republik wesentlich seltener stattgefunden als in anderen europäischen Staaten. Was in Österreich fehlt ist der starke, tief sitzende Glaube an das demokratische System. Es gibt keinen Verfassungspatriotismus wie in Deutschland. Deshalb sind wir so krisenanfällig.“
Information
Quelle: Ernst Hanisch, 1994: Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert.