Schule in China: Pauken bis zur Erschöpfung
by Bettina Figl
Vienna Business School bekam Besuch von Pekinger Partnerschule.
Erschienen in der „Wiener Zeitung“ am 29.10.2011
Wien/Peking. Welche politischen Theorien werden in chinesischen Schulen durchgenommen? Auf diese Frage antwortet Hou Guang, Direktor der Pekinger Handelsschule, erwartungsgemäß ausweichend. Auskunftsfreudiger zeigt er sich über die Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem chinesischen Schulalltag, wobei er auch hier vor allem die Gemeinsamkeiten betont.
Die Vienna Business School hatte im Oktober dreiwöchigen Besuch von ihrer chinesischen Partnerschule in Peking. Nach dreimaligem Verschieben des Besuches – die Regierung musste zuerst die Ausreise bewilligen – war er gemeinsam mit 14 Lehrern und Direktoren nach Wien gereist.
Die „Wiener Zeitung“ traf den Direktor, vorab waren Fragen der Vienna Business School vom chinesischen Staatsapparat abgesegnet worden. Als die chinesische Delegation erfuhr, dass von der „Wiener Zeitung“ noch zusätzliche Fragen gestellt werden, reagieren sie „wie aufgeschreckte Hühner“, erzählt Monika Hodoschek, Direktorin der im Alsergrund angesiedelten Handelsakademie. Schließlich ging Direktor Guang aber auch auf die unautorisierten, spontan gestellten Fragen ein, etwa auf jene nach dem chinesischen Schulalltag: Schuluniformen sind Pflicht, 5000 Schüler besuchen die Pekinger Wirtschaftsschule, die eine Mischung zwischen Handels- und Berufsschule und gleichzeitig ein Internat ist. Aufgrund drei- bis vierstündiger Anfahrtszeiten innerhalb Pekings übernachten 80 Prozent in der Schule.
Schüler schlafen oft ein
Für sie heißt es früh aufstehen: Täglich wird um 6.45 Uhr die chinesische Flagge gehisst, um 6.50 Uhr beginnt die Morgengymnastik. 4000 Schüler und 70 Lehrer sporteln im Schulhof, und auch der Rest des Tages ist straff organisiert: Der Unterricht endet um 15.10 Uhr, danach stehen Drachenschwingen, Volleyball und Tai Chi auf dem Programm. Von 19 bis 21 Uhr wird dann wieder gepaukt, und um 22 Uhr erlischt das Licht für die Nachtruhe.
Wie unterscheiden sich also chinesische von österreichischen Schülern, sind sie disziplinierter, respektvoller? Für Direktor Guang stehen die Gemeinsamkeiten im Vordergrund, wie er betont: Beide hätten viel Respekt; wenn man sie im Gang antreffe, würden sie höflich grüßen.
Direktorin Hodoschek, die vor zwei Jahren die Pekinger Schule besucht hat, beschreibt die chinesischen Schüler folgendermaßen: „Sie sind sehr diszipliniert und großen Druck von klein auf gewohnt.“ Manchmal würden sie diesem allerdings nicht standhalten und vor Erschöpfung im hinteren Teil des Klassenzimmers einschlafen – was bei knapp 50 Schülern pro Klasse oft vom Lehrer unbemerkt bleibt.
Die Pekinger Wirtschaftsschule ist öffentlich, dennoch fällt – je nach Schultyp – ein Schulgeld zwischen 200 und knapp 350 Euro pro Jahr an, was etwa einem monatlichen Lehrergehalt entspricht (300 bis 400 Euro).
Lehrergehalt nach Punkten
Der Lohn der Lehrer ist leistungsorientiert und wird nach Punkten berechnet. Diese werden folgendermaßen vergeben: Interne und externe Kollegen sowie Schüler evaluieren die Lehrer, außerdem müssen die Lehrer wissenschaftlich publizieren. Innerhalb der Lehrerschaft wird die dadurch erreichte Punktezahl veröffentlicht, alle zwei Jahre haben sie die Möglichkeit sich zu verbessern.
In China beträgt die Schulpflicht wie in Österreich neun Jahre, jedoch ist der Unterricht viel standardisierter. „Die chinesischer Vertreter waren komplett überrascht, wie viel Freiraum unsere Lehrer haben“, erklärt Hodoschek.