SALON FIGL

Das ist die Homepage der Journalistin Bettina Figl

Tag: Reportage

Das Corona-Bootcamp

Menschen, die eine Covid-Erkrankung hinter sich haben, leiden oft unter Langzeitfolgen wie Atemnot oder Erschöpfung. Ein Erfahrungsbericht zur Lungen-Reha in Wien-Oberlaa.

Eine Minute kräftig strampeln, eine Minute gemütlich radeln. Ich sitze am Ergometer, versuche durch die bodentiefe Fensterfront in die Ferne zu schauen, doch mein Unterbewussten trickst mich aus und mein Blick bleibt wieder an denselben drei Punkten hängen: Würstelstand, Kurkonditorei, und an den vielen Zahlen am Display, die mir Umdrehungen pro Minute, Watt und verbrannte Kalorien anzeigen. Immer wieder sehen Physiotherapeuten nach mir, messen meine Sauerstoffsättigung und kontrollieren meinen Puls. Nach 30 Minuten am Rad ist das Ausdauertraining geschafft und ich bin es, schweißüberströmt, auch.

Diese Reportage ist am 21.12.2020 in der Wiener Zeitung erschienen.

Weiterlesen…

Masai-Krieger ziehen in den Tourismus

Ein kenianisches Masai-Dorf will mit einem ökologischen Safari-Camp alles anders machen – und doch bleibt angesichts der Kolonialgeschichte des Landes ein unbehagliches Gefühl zurück.

Die Hochspringer

Ein Dutzend Masai nähert sich in rhythmischen Schritten. Die jungen Männer tragen üppigen Kopfschmuck, hölzerne Gehstöcke und Baumwolldecken mit Karo-Muster in knalligem Rot, über die Schulter geworfen wie eine Toga. Auf dem staubigen Erdboden bremsen sie sich ein, reihen sich auf, und dann tritt abwechselnd einer von ihnen hervor, und springt, so hoch er nur kann, in die Luft. Die restlichen Masai begleiten den springenden Masai-Krieger wie Background-Sänger mit Sing-Sang und dem Klimpern ihrer Halsketten.

Dieser Artikel ist als multimediale Scrollstory ist im Juli 2017 in der Wiener Zeitung erschienen.

Weiterlesen…

Schön im Schritt

Die einen lassen sich ihre Schamlippen kürzen, die anderen feiern die Vulva als Kunstobjekt. Das weibliche Geschlecht als Kampfzone und Goldgrube.

Unten ohne und breitbeinig sitzt Anna Daxbacher in einem Ohrensessel, während ihr die Künstlerin Gloria Dimmel graue Abdruckmasse auf das Genital schmiert. In einer Privatwohnung im 17. Bezirk lässt sie einen Gipsabdruck ihrer Vulva – dem äußeren weiblichen Geschlecht – anfertigen. Wozu? „Man sieht sich nie so“, sagt die junge Frau mit den tätowierten Armen. „Also nicht in dieser Perspektive, nicht in 3D.“ Dimmel startete das Projekt im Selbstexperiment nach Vorbild des britischen Künstlers Jamie McCartney, der in Brighton mit einer Wand aus 400 Vagina-Abdrücken im Vorjahr Furore machte. Ziel dieser Aktionen ist es, die Vielfalt der Vulven zu zeigen. Dieser Artikel ist am 23.7.2018 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.
Weiterlesen…

Feministinnen braucht das Acholi-Land

thumb_DSC_1524_1024Krieg, Flucht und Gewalt haben Frauen in Uganda schwer getroffen. Gemeinsam überwinden sie ihr Trauma.

Christine Auma bahnt sich den Weg durch das Dickicht, bis sie das Dorf erreicht. Mit einem Lappen wischt sie sich den Schweiß von der Stirn, dann wendet sie sich den Männern zu, die im Schatten eines Mangobaums sitzen. Vor ihnen geht sie auf die Knie, ihr zitronenfarbenes Kleid berührt kurz den roten Erdboden. Die kniende Begrüßung gilt in vielen afrikanischen Stämmen als Zeichen des Respekts.

So auch bei den Acholi, jener Stammesgruppe, die im Norden Ugandas beheimatet ist. Lehmhütten mit Strohdächern und Solarzellen, eine Oase inmitten von Bananenbäumen: Auma lebt in einem kleinen Dorf nahe Pader. Die Hauptstadt der gleichnamigen Region im Norden Ugandas wurde im Jahr 2000 aus dem Boden gestampft. Damals hatten sich hier viele Hilfsorganisationen angesiedelt, um den Wiederaufbau nach dem ugandischen Bürgerkrieg zu unterstützen. Dieser Artikel ist am 7.6.2018 in der Wiener Zeitung erschienen.

Weiterlesen…

Schabbat-Dinner und Blockparty

In New York stellt jede Minderheit irgendwo auch die Mehrheit – ein Stadtspaziergang.

„Halleluja, Halleluja, Halleluja!“ Aus den Tiefen ihrer Lungen rufen sie den Namen Gottes, hyperventilierend versetzen sie sich in Trance-ähnliche Zustände. Unter die Schreie der Zeugen Jehovas von nebenan mischen sich Polizeisirenen, die in der Ferne in Endlosschleife aufheulen. Das Ritual ist ein allabendliches Wiegenlied, und in der Früh übernimmt der jüdisch-orthodoxe Kindergarten: mit hoch gepitchtem, hebräischem Sing-Sang wecken die Kids das ganze Wohnhaus. Dieser Artikel ist am 20.5.2017 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

Weiterlesen…

Das meditierende Klassenzimmer

Luiza PuiuDer Leistungsdruck an Schulen steigt. Immer öfter findet sich deshalb Achtsamkeit auf dem Stundenplan. Jugendliche, die auf Dreck starren – und das im Schulunterricht. „Hier, dieser Dreck! Das ist mir noch nie aufgefallen!“ sagt Lehrerin Verónica Pagura, Lehrerin an der Vienna International School. Sie steht im dunklen Klassenzimmer und leuchtet mit einer Taschenlampe auf einen grauen Fleck an der Decke. Die Teenager haben ihre Köpfe in den Nacken gelegt, ihre Blicke folgen dem Licht. Die Taschenlampe soll veranschaulichen, was passiert, wenn man still wird und seine Gedanken beobachtet.

Mindfulness statt Mathe: Heute steht in der Vienna International School im 22. Bezirk Achtsamkeit am Stundenplan. Denn für Kinder und Jugendliche nimmt der Stress immer mehr zu. Cyber-Mobbing, Pisa-Tests, und das Smart-Phone als ständiger Begleiter. Anstatt an dem System zu rütteln, holen sich immer mehr Schulen Hilfe in Form von alten Meditationstechniken. Diese kommt zwar aus der buddhistischen Tradition, wird im Unterricht aber säkular gelehrt.

Dieser Artikel ist am 10.5.2017 in der „Wiener Zeitung“ erschienen und hier nachzulesen.

Weiterlesen…

Publikumsmagnet Black History

Das Design des Überbaus des N.M.A.A.H.C. erinnert an westafrikanische Textilien.© B. Figl

Das Design des Überbaus des N.M.A.A.H.C. erinnert an westafrikanische Textilien.© B. Figl

Das Nationale Museum für afroamerikanische Geschichte hat den letzten freien Platz an der National Mall bekommen.

Washington D.C. Schulklassen, Menschen mit Dreadlocks und ergraute Vietnam-Veteranen warten auf den Lift, um in die Ausstellung „Sklaverei und Freiheit“ zu gelangen. Sie haben, mit Glück oder durch Beziehungen, Tickets für das N.M.A.A.H.C. ergattert, für das neue Nationale Museum für Afro-Amerikanische Geschichte und Kultur. Während sie warten, betrachten sie Schwarzweißfotos afro-amerikanischer Persönlichkeiten an der Wand.

Diese Reportage ist am 8.11.2016 in der „Wiener Zeitung“ erschienen. Weiterlesen…

„Wir leben in Armut und wollen Veränderung“

Diese Frau mit Wurzeln in Puerto Rico lebt in Washington Heights.

Diese Frau mit Wurzeln in Puerto Rico lebt in Washington Heights.© Figl

New York. Ein Wahlhelfer steht vor einem Wahllokal in Queens und ist umringt von Menschen, die ihn mit Fragen löchern: In welcher Schlange sollen wir uns anstellen? Wie lange wird es dauern, bis man dran kommt? Ein Mann ist besonders echauffiert: „Ein anderer Wahlhelfer hat mich in die falsche Schlange geschickt, ich habe eine halbe Stunde verschwendet.“

Rund 40 Minuten stehen die Menschen in Queens an, bevor sie ihre Stimme abgeben können. In New York City, wo stets alle „busy“ sind, wird Wartezeit schnell zur Belastungsprobe. Die Wahlschilder sind fünfsprachig, an keinem Ort der Welt werden so viele Sprachen gesprochen wie in diesem multikulturellen Stadtteil New Yorks.

Bildergalerie vom Wahltag in New York City.

Diese Reportage ist am 8.11.2016 hier erschienen.

Weiterlesen…

Einkaufen mit Gemeinschaftssinn

160619-0332-img-0675Vor 43 Jahren schlossen sich in Brooklyn holten einige Menschen günstige Lebensmittel direkt von lokalen Produzenten. Heute ist die Park Slope Food Coop eine der größten und ältesten Lebensmittelkooperativen der USA. 

New York City. Einem jungen Mann, er schichtet Pfirsiche in ein Regal, rutscht die Schachtel aus der Hand, die roten Früchte kullern durch die engen Gänge. Die „Kunden“ manövrieren ihre Einkaufswägen geschickt vorbei, einige knien nieder und helfen mit, das gefallene Obst einzusammeln.

In der Park Slope Food Coop, einer der ältesten Lebensmittelkooperativen in den USA, setzt man seit 43 Jahren auf Zusammenarbeit. Heute ist sie mit 17.000 Mitgliedern die größte Food Coop des Landes, in der alle Mitglieder mitarbeiten müssen, die Unterscheidung zwischen „Kunde“ und „Mitarbiter“ gibt es de facto nicht. Das erklärt die teilweise ungeübten Arbeiter wie den Mann mit den Pfirsichen, aber auch die geringen Personalkosten.

Dieser Artikel ist am 14.6.2016 in der „Wiener Zeitung“ erschienen. Eine Bildergalerie gibt’s hier.

Weiterlesen…

„Die Roten gibt’s nicht mehr“

160526-1805-948-0900-32991-270510stammtischExilanten und Wahl-New Yorker über die österreichischen und amerikanischen Präsidentschaftswahlen.

New York. Alle sind per du. Wer neu ist, stellt sich vor. Und genascht wird Marshmallow-Eis mit Mannerschnitten. Beim Emigranten-Stammtisch, der seit über 70 Jahren in New York wöchentlich stattfindet, geht es informell zu. In Trudy Jeremias Penthouse-Wohnung in der Upper East Side treffen sich Exilanten, Wahl-New Yorker und Durchreisende, um über Politik und Alltag zu plaudern. Gesprochen wird – bis auf wenige Ausnahmen – deutsch.

Dieser Artikel ist am 27.5.2016 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

Bildergalerie Austrians in New York

Weiterlesen…

Ruhe nach dem Sturm

Ein Deli-Besitzer in Brooklyn beim Schneeschaufeln nach dem Blizzard.© Figl

Ein Deli-Besitzer in Brooklyn beim Schneeschaufeln nach dem Blizzard.

Schaufeln und Rodeln statt hektischem Treiben: Mit den Schneemassen kehrte in der Megacity New York Langsamkeit ein.

New York. Autos, Parkbänke, Fahrräder: Alles ist von einer meterhohen, strahlend weißen Schneedecke überzogen. Nachdem am Samstag einer der schwersten Schneestürme der vergangenen Jahrzehnte die US-Ostküste lahmgelegt hat, ist es in der Millionenmetropole New York ungewöhnlich still. In Brooklyn – nach Manhattan der am dichtesten besiedelte Bezirk der USA – sind am Sonntagmorgen nur wenige Menschen unterwegs.

Kein einziges Auto ist in Sicht, jene wenigen, die schon auf den Beinen sind, stapfen auf der Straße durch den Schnee, denn am Gehsteig würden sie knietief im Schnee versinken. „Eigentlich sollten seit 7 Uhr Früh die Busse wieder fahren, ich habe weit und breit keinen gesehen“, schimpft ein Mann. Er versucht nun, zu Fuss in die Arbeit zu gelangen.

Dieser Artikel ist am 24.1.2016 in der „Wiener Zeitung“ erschienen. Eine Bildergalerie findet sich hier.

Weiterlesen…

The girl on the sidewalk

For 13 years, Alaska has been living on the streets of Portland.

(c) John Strieder

(c) John Strieder

Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Alaska sneezes herself awake. It is 8:15 A.M., and while alarm clocks remind people elsewhere that it is time to get ready for work, the sneezing reminds Alaska that it is time for her first shot. When a heroin addict is getting dope-sick, the body sends signals, often similar to catching the flu. It is the second time she has woken up this morning, in her camp in a construction zone between whistling trains and squeaking rats.

Weiterlesen…

„Wir haben gehofft, dass es besser wird. Aber es gibt kein Syrien mehr“

0xUmFuZG9tSVbivsTeTcIdMQ6eEl1sESGKgZBaOKqfhy7AbQTtHCRZZuWNEyMR3KJ3eSL1IDtZSHKZ2CokZufgCA==Über müde Gesichter am Wiener Westbahnhof legt sich ein breites Lächeln, die Arabisch-Dolmetscherinnen haben Tränen in den Augen. Zum ersten Mal hält Amir (Name geändert) seinen Sohn am Arm, zum ersten Mal seit einem Jahr sieht er seine Frau wieder. Als der Syrer 2014 nach Österreich floh, war seine Frau schwanger. Inzwischen ist sein Sohn sieben Monate alt; Amir kann kaum glauben, dass sie nun endlich vereint sind. Die Frau, die mit ihrem Bruder und einem Freund vor einem Monat aus Syrien geflüchtet ist, kam am Freitagvormittag mit dem Bus von der ungarischen Grenze am Wiener Westbahnhof an. Bis zum Nachmittag waren es rund 50 Busse, die von Nickelsdorf hier ankamen. Im Vergleich zum vergangenen Wochenende, an dem noch 730 Menschen Asyl beantragten, waren es von Montag bis Donnerstag 1141 Menschen.

Diese Reportage ist am 11.9.2015 in der „Wiener Zeitung“ erschienen und hier nachzulesen. Die Fakten hat Siobhán Geets recherchiert, ich habe mich am Wiener Westbahnhof umgesehen.

Weiterlesen…

Amazonen auf vier Rollen

(c) Luiza Puiu

(c) Luiza Puiu

Punkrock-Attitüde, Rangeleien, keine Spur von braven Mädchen von nebenan: Roller Derby ist ein Vollkontaktsport, der auf Rollschuhen und vorwiegend von Frauen ausgeübt wird.

Multimedia-Reportage: http://wienerzeitung.at/rollerderby

Punkrock dröhnt in voller Lautstärke aus den Lautsprechern, als Knock Out Nora, Karma Kalashnikov und ihre Kolleginnen einrollen. Jede der jungen Frauen auf Rollschuhen trägt Helm, Leggings, Mundschutz.

Weiterlesen…

Schmerz? Oder süßer Schmerz?

(c) Martina Velicky

Die heilige Stadt Rishikesh im Norden Indiens gilt als Welthauptstadt des Yoga. Bericht von einem Selbstversuch, sich in 28 Tagen zur Yogalehrerin ausbilden zu lassen. Ein junger Inder packt mich an der Schulter, presst sein Knie in meinen Rücken und dreht dessen oberen und den unteren Teil in zwei verschiedene Richtungen. Ich komme mir vor wie ein Stück nasse Wäsche, das ausgewunden wird. 15 angehende Yogalehrer harren in der Rumpfdrehung aus. Lehrer Prashanth – strahlend weiße Zähne, Ansatz eines Schnauzers und goldener Ring im Ohr – zählt in melodischem Singsang: „Eiiight, niiine, teeen“; das sind keine Sekunden, sondern Yogi-Atemzüge, also halbe Ewigkeiten. Wir sitzen am Boden, die Beine überkreuz, und während sich meine Gesichtszüge immer mehr verkrampfen, fixiert mich Prashanth mit seinem breiten Eddie-Murphie-Lächeln und fragt: „Schmerz? Oder süßer Schmerz?“

Diese Reportage ist am 25.4.2015 im „Extra“ in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

Weiterlesen…