Verhandeln bis zur Chefetage

by Bettina Figl

Erschienen in der „Wiener Zeitung“ am 21.01.2012

Gleichbehandlungsgesetz, quo vadis? „Viele Unternehmen von Gehaltsoffenlegung völlig überfordert“ – Folder „Tipps für Gehaltsverhandlungen“ soll Frauen Handlungsspielraum geben.

Wien. „Männer verdienen mehr als Frauen? Frauen so viel weniger als Männer? Bitte!!! Endlich Beispiele!! Alle wollen gern wissen, wo und in welchem Job diese Bezahlungsunterschiede bestehen“, schreibt
User Andreas Sarkis auf www.wienerzeitung.at . Diesem Wunsch müssen Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern bereits seit 2011 nachkommen – zumindest intern und in anonymisierter Form.  Etappenweise kommen nun immer kleinere Betriebe dazu: bis Ende März 2012 solche mit mehr als 500 Beschäftigten, ab 2013 jene ab 250 und ab 2014 auch Firmen ab 150 Mitarbeitern.

Sie werden durch das Gleichbehandlungsgesetz dazu verpflichtet, die Gehälter auf den Tisch zu legen. Dadurch soll sich die immer noch weit auseinanderklaffende Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen verschmälern. „Anfangs waren viele Unternehmen völlig überfordert“, sagt Barbara Marx, Leiterin der Frauenabteilung der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) zur „Wiener Zeitung“. Firmen, die sich vehement gegen die Offenlegung stemmten, seien jedoch Ausreißer gewesen.

Was, wenn eine Mitarbeiterin feststellt, dass sie weniger verdient? Empfohlen wird, sich in einem solchen Fall an den Betriebsrat zu wenden – oder an die Gleichbehandlungsanwaltschaft.

In einem Drittel aller Fälle verdienen Frauen zu wenig, da ihre Vordienstzeiten falsch berechnet wurden, so die GPA. Sie empfiehlt, Gehaltserhöhungen in Mitarbeitergesprächen anzusprechen: „Es ist immer legitim, über Geld zu reden. Besser einmal zu viel als einmal zu wenig.“

„Mit Verzicht auf Gehalt dequalifiziert man sich“

Doch Frauen tendieren eben doch zu diesem „zu wenig“: Sie fordern nur alle zwei bis drei Jahre Gehaltserhöhungen – wenn überhaupt. Männer hingegen verhandeln ihr Gehalt im Schnitt einmal pro Jahr. „Frauen trauen sich oft gar nicht, Gehaltsverhandlungen einzufordern. Sie denken, das könnte für sie Nachteile bringen“, erklärt Meike Lauggas, Fachreferentin für Arbeitsmarktfragen der Stadt Wien. Doch das sei ein Irrglaube; mit dem Verzicht auf angemessenes Gehalt dequalifiziere man sich selbst, so die Autorin der Broschüre „Gehaltsverhandlungstipps für Frauen“. „Der Gehaltsunterschied kommt aber nicht daher, dass Frauen so wenig verhandeln“, stellt Lauggas klar. Die Verhandlungen seien lediglich der kleine Bereich, in dem man persönlich handeln könne.

Sie empfiehlt, sich vor Verhandlungen gut über branchenübliche Bezahlung und Gehaltsanpassungen zu informieren. „Üblich sind fünf bis zehn Prozent Gehaltserhöhung, bei außerordentlichen Leistungen sind auch 15 Prozent möglich“, heißt es in dem Gehaltsverhandlungs-Folder. Der beste Zeitpunkt, mehr Gehalt einzufordern, ist nach dem Abschluss eines erfolgreichen Projekts: „Am besten vergegenwärtige ich mir in einem Leistungsprotokoll, was ich getan habe. Dann gehe ich gestärkt in das Gespräch.“ Nachteilig sei, dass Frauen oft wenig Übung im Kämpfen und Verhandeln haben – doch das könne man in weniger wichtigen Situationen üben: „Am Basar, in der Familie, mit Bekannten.“ Beim Verhandeln sei es wichtig, Schweigen zuzulassen und nicht gleich einzulenken.

Gleichbehandlungsanwältin überprüft Stelleninserate

Doch da die Gehaltsschere nicht einfach wegverhandelt werden kann, muss auch die Politik tätig werden: Neben der Gehaltsoffenlegung sind Betriebe verpflichtet, in Stelleninseraten das erzielbare Gehalt auszuschreiben. Passiert das nicht, können sie seit Anfang 2012 sanktioniert werden. Zu Anzeigen sei es aber erst in „einzelnen, gravierenden Fällen“ gekommen, sagt Ingrid Nikolay-Leitner von der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Die Anwaltschaft will nun systematisch Ausschreibungen in Printmedien überprüfen und bis Ende Februar einen Bericht vorlegen.

Doch unterschiedliche Bezahlung für gleiche Leistung ist nicht die einzige Windmühle, gegen die im Arbeitssektor angekämpft wird: Die viel beschriebene „gläserne Decke“ scheint in Österreich besonders dick zu sein, denn hier waren 2010 lediglich drei Prozent der Vorstände weiblich (EU-Schnitt acht Prozent, siehe Grafik).

Dabei ist längst bekannt, dass Frauen in der Chefetage einen wirtschaftlichen Wettbewerbsfaktor stellen. Das zeigt auch eine aktuelle Studie der Beratungsfirma Ernst & Young, wonach Betriebe mit Frauen im Vorstand erfolgreicher sind. Dabei wurden 290 europäische Großunternehmen untersucht, und es zeigte sich: Der Umsatz zwischen 2005 und 2010 nahm im Schnitt um 64 Prozent und der Gewinn um 89 Prozent zu, wenn Frauen im Vorstand waren – im Vergleich zu 44 Prozent beziehungsweise 67 Prozent ohne weibliche Führung. Doch auch hier kommt die Gehaltsschere zu tragen, und das macht die Vorstandsposten weniger attraktiv.

Der Folder „Gleichbehandlungstipps für Frauen“ kann gratis bestellt werden: www.frauen.wien.at

www.oegb.at

www.gleichbehandlungsanwaltschaft.at

www.gehaltsrechner.gv.at

www.fit-gehaltsrechner.at