Karotte und Backhenderl vor der Nase

Nach zweijähriger Pause gab es wieder eine Mayday-Parade gegen prekäre Arbeitsverhältnisse. Die Polizei überraschte mit großer Präsenz.

(c) Bürger vom Augartenspitz

erschienen in der „Wiener Zeitung“ am 03.05.2011

Wien. Während am 1. Mai rund 100.000 Genossen bei Backhenderl und Bier klassenkämpferischen Reden lauschten, wurde am naheliegenden Praterstern prekären Lebensverhältnissen der Kampf angesagt.

Hier zog die bunte Mayday-Parade vorbei, die Demonstranten trugen Holzstecken vor sich her, auf denen Karotten baumelten, passend zum Motto: „Wir pfeifen auf die Karotte vor der Nase, die das schöne Leben versprechen soll!“ Die Mayday ist keine Demo im klassischen Sinn, sondern erinnert mit Clowns, Trommlern und Kinderwagenblock eher an ein Straßenfest.

Laut den Veranstaltern waren es 1600 Menschen, die vom Wallensteinplatz im 20. Bezirk zum Museumsquartier zogen. Trotz friedlicher Stimmung war das Polizeiaufgebot beachtlich: Es sicherte etwa den Eingang zum Augarten ab. Einem Kind gelang es, die Polizeisperre zu durchbrechen – was die Exekutive etwas irritiert hinnahm.

Großes Polizeiaufgebot, keine Vorkommnisse

Die Organisatoren meinen, 300 Beamte gezählt zu haben – die Exekutive spricht von „ausreichender Mann- stärke“. Genauere Angaben seien aus „strategischen Gründen nicht üblich“, es habe „keine besonderen Vorkommnisse“ gegeben.

Während Bundeskanzler Werner Faymann in seiner Rede zum 1. Mai die hart arbeitenden Leistungsträger lobte, schickten die Mayday-Demonstranten ein Stoßgebet zum „San Precario“, dem Schutzpatron der Menschen in präkeren Arbeitsverhältnissen: „Verhilf uns zu bezahltem Urlaub, Mutterschutz und Krankenstand, zu Arbeitslosengeld, Pensionsbeiträgen und Mindestlohn.“

San Precario wurde 2004 vom Journalisten Alessandro Delfanti erfunden. Die erste Mayday-Parade fand 2001 im italienischen Mailand statt, wo sie inzwischen mehr als 100.000 Teilnehmende hat.