SALON FIGL

Das ist die Homepage der Journalistin Bettina Figl

Tag: Longread

Masai-Krieger ziehen in den Tourismus

Ein kenianisches Masai-Dorf will mit einem ökologischen Safari-Camp alles anders machen – und doch bleibt angesichts der Kolonialgeschichte des Landes ein unbehagliches Gefühl zurück.

Die Hochspringer

Ein Dutzend Masai nähert sich in rhythmischen Schritten. Die jungen Männer tragen üppigen Kopfschmuck, hölzerne Gehstöcke und Baumwolldecken mit Karo-Muster in knalligem Rot, über die Schulter geworfen wie eine Toga. Auf dem staubigen Erdboden bremsen sie sich ein, reihen sich auf, und dann tritt abwechselnd einer von ihnen hervor, und springt, so hoch er nur kann, in die Luft. Die restlichen Masai begleiten den springenden Masai-Krieger wie Background-Sänger mit Sing-Sang und dem Klimpern ihrer Halsketten.

Dieser Artikel ist als multimediale Scrollstory ist im Juli 2017 in der Wiener Zeitung erschienen.

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Vom Schulsystem allein gelassen

Eine Volksschullehrerin kündigt vier Wochen nach Schulbeginn. Was ist los in den Wiener Integrationsklassen?

Zwölf Jahre lang unterrichtete Gerda Huber*, eine zierliche Frau in ihren 50ern, in einer Volksschule im 11. Bezirk. Doch Ende September 2019, nach nur vier Wochen in einer 1. Klasse, zog sie einen Schlussstrich. Nach 27 Jahren als Pädagogin und wenige Jahre vor ihrer Pensionierung beantragte Huber die Auflösung des Dienstverhältnisses bei der Bildungsdirektion (die früher Stadtschulrat hieß, Anm.). Warum sie die Zustände an der Schule nicht mehr ertragen hat, erzählte sie der „Wiener Zeitung“ (teilweise in eigenen Worten, Namen der Lehrerinnen* von der Red. geändert).

„In der Gangpause kommt ein Mädchen zu mir und zeigt mir ein ‚Aua‘. Ich beuge mich zu ihr, betrachte ihren Finger, aber sehe nicht die geringste Verletzung. Ich vermute, sie will Aufmerksamkeit. Wer könnte ihr das verdenken, bin ich doch den ganzen Vormittag damit beschäftigt, die drei Kinder mit einer schweren geistigen Behinderung im Auge zu behalten. Ich antworte ihr: ‚Jetzt geht es gerade nicht, ich muss auf S. aufpassen.‘ Sie hat Verständnis und weiß, dass S. keine Sekunde ohne Aufsicht bleiben darf. S. hat, so wie die beiden anderen Buben, einen großen Entwicklungsrückstand. Sein Gleichgewichtssinn ist stark beeinträchtigt, dennoch ist er mobil. Er läuft gerade den Gang auf und ab und würde sofort die Stiege hinunterstürzen, wenn er versuchen würde, diese hinabzusteigen.“

Dieser Artikel ist am 31.3.2020 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

„Mein Rat lautet: Keep cool!“

© Oliver Wolff http://www.oliwolff.com

© Oliver Wolff http://www.oliwolff.com

Seit Günther Krabbenhöft vor zwei Jahren von Touristen am U-Bahn-Steig in Berlin fotografiert wurde, hat sich sein Leben auf einen Schlag geändert. Heute jobbt der 72-Jährige, der fast sein ganzes Leben lang als Koch gearbeitet hat, als Model und Stilberater, und er ist ein Star in den sozialen Netzwerken. Dass die Fotos für dieses Interview am Berliner Tempelhofer Feld entstehen sollten, gefiel ihm nicht – er kann große Menschenansammlungen nicht leiden und kritisiert, dass an diesem Platz keine Sozialwohnungen entstehen. Doch als er dann im Abendlicht zwischen Sonnenblumen für die Kamera posiert, ist er wieder in seinem Element. Er kommt mit zwei 10-Jährigen in Fußball-Trikots ins Gespräch und erklärt ihnen, dass sich ein Gentleman stets höflich und respektvoll verhält.

Dieser Artikel ist am 23.9.2017 im Extra der Wiener Zeitung erschienen.

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Schabbat-Dinner und Blockparty

In New York stellt jede Minderheit irgendwo auch die Mehrheit – ein Stadtspaziergang.

„Halleluja, Halleluja, Halleluja!“ Aus den Tiefen ihrer Lungen rufen sie den Namen Gottes, hyperventilierend versetzen sie sich in Trance-ähnliche Zustände. Unter die Schreie der Zeugen Jehovas von nebenan mischen sich Polizeisirenen, die in der Ferne in Endlosschleife aufheulen. Das Ritual ist ein allabendliches Wiegenlied, und in der Früh übernimmt der jüdisch-orthodoxe Kindergarten: mit hoch gepitchtem, hebräischem Sing-Sang wecken die Kids das ganze Wohnhaus. Dieser Artikel ist am 20.5.2017 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

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The girl on the sidewalk

For 13 years, Alaska has been living on the streets of Portland.

(c) John Strieder

(c) John Strieder

Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Achoo! Alaska sneezes herself awake. It is 8:15 A.M., and while alarm clocks remind people elsewhere that it is time to get ready for work, the sneezing reminds Alaska that it is time for her first shot. When a heroin addict is getting dope-sick, the body sends signals, often similar to catching the flu. It is the second time she has woken up this morning, in her camp in a construction zone between whistling trains and squeaking rats.

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Amazonen auf vier Rollen

(c) Luiza Puiu

(c) Luiza Puiu

Punkrock-Attitüde, Rangeleien, keine Spur von braven Mädchen von nebenan: Roller Derby ist ein Vollkontaktsport, der auf Rollschuhen und vorwiegend von Frauen ausgeübt wird.

Multimedia-Reportage: http://wienerzeitung.at/rollerderby

Punkrock dröhnt in voller Lautstärke aus den Lautsprechern, als Knock Out Nora, Karma Kalashnikov und ihre Kolleginnen einrollen. Jede der jungen Frauen auf Rollschuhen trägt Helm, Leggings, Mundschutz.

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Schmerz? Oder süßer Schmerz?

(c) Martina Velicky

Die heilige Stadt Rishikesh im Norden Indiens gilt als Welthauptstadt des Yoga. Bericht von einem Selbstversuch, sich in 28 Tagen zur Yogalehrerin ausbilden zu lassen. Ein junger Inder packt mich an der Schulter, presst sein Knie in meinen Rücken und dreht dessen oberen und den unteren Teil in zwei verschiedene Richtungen. Ich komme mir vor wie ein Stück nasse Wäsche, das ausgewunden wird. 15 angehende Yogalehrer harren in der Rumpfdrehung aus. Lehrer Prashanth – strahlend weiße Zähne, Ansatz eines Schnauzers und goldener Ring im Ohr – zählt in melodischem Singsang: „Eiiight, niiine, teeen“; das sind keine Sekunden, sondern Yogi-Atemzüge, also halbe Ewigkeiten. Wir sitzen am Boden, die Beine überkreuz, und während sich meine Gesichtszüge immer mehr verkrampfen, fixiert mich Prashanth mit seinem breiten Eddie-Murphie-Lächeln und fragt: „Schmerz? Oder süßer Schmerz?“

Diese Reportage ist am 25.4.2015 im „Extra“ in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

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