Krankenkassen prüfen Vertriebe

by Bettina Figl

GPA drängt auf Anstellung der Austräger und droht mit Nachzahlung.
„Es handelt sich um eine offene arbeits- und sozialrechtliche Baustelle“, sagt Karl Proyer, stellvertretender Geschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) zur „Wiener Zeitung“. Die Krankenkassen, insbesondere die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), würde derzeit „sozialversicherungsrechtliche Prüfungen vornehmen“, so Proyer. Dort will man das nicht bestätigen, sagt aber, bei den Zeitungszustellern werde ohnehin routinemäßig geprüft.

Dieser Artikel ist gemeinsam mit „Die unsichtbaren Nachtschwärmer“ am 23. Dezember 2013 in der Wiener Zeitung erschienen und hier im Original nachzulesen. Eine Fotoreportage gibt’s hier.

Die Zeitungen lagern die Zustellung meist auf Subfirmen aus. Sie seien „gut beraten, die Zusteller anzustellen“, sonst drohen hohe Zahlungen hinsichtlich Sozialversicherungsbeiträgen“, so Proyer. Die Zeitungen selbst seien „nicht ganz außen vor“, denn Unternehmen dürften nicht an Subfirmen Aufträge vergeben, die widerrechtlich handeln. Für Proyer ist die Zeitungszustellung „eindeutig ein Dienstverhältnis“, da sich die Austräger bei ihrem Dienstgeber an- und abmelden müssen und zeitlich und örtlich an Dienstpläne gebunden sind. In einigen Fällen bringen auch Angestellte der Post die Zeitungen, zwar nur zehn Prozent der Tageszeitungen, auf Wunsch kann der Abonnent aber auf postale Zustellung umsteigen. Bei den Monats-, Wochen- und Regionalzeitungen stellt die Post 98, 95 beziehungsweise 75 Prozent der Abos zu.

Doris Lutz von der sozialpolitischen Abteilung der Arbeiterkammer fordert, dass wirtschaftliche Abhängigkeit ein Ausschlusskriterium für Selbständigkeit sein muss: „Das ist nicht das Bild, das wir von einem Unternehmer haben.“ Sie versucht seit Jahren Zahlen zu bekommen, wie viele Menschen in Österreich, die eigentlich von Ihrem Auftraggeber abhängig sind, auf Werkvertrags-Basis arbeiten. Doch die von Wirtschaftskammer, Statistik Austria und Sozialversicherung veröffentlichten Zahlen würden einen differenzierten Blick auf diese Beschäftigten verhindern: „Inzwischen glaube ich dabei nicht mehr an Zufall“, so Lutz. In dem Buch „Wo bleibt heute die Zeitung?“ aus 2006 wurde die prekäre Situation der Zeitungsausträger beleuchtet. Wieso ist seither nichts geschehen? „Das müssen wir uns vorhalten lassen. Aber das heißt nicht, dass wir jetzt diese Baustelle nicht so abarbeiten, wie es gesetzlich notwendig ist“, sagt Proyer. Dass die Medienberichterstattung zurückhaltend ist, mag angesichts der Empörung über die Arbeitsbedingungen bei Amazon verwundern. Die Zeitungen, die gegen schwindende Leser- und Abozahlen ankämpfen, sind eben selbst Teil des Systems.

Arbeitsmarkt für Asylwerber
Die Branche wird immer wieder von Neuankömmlingen gespeist, die Asylkoordination Österreich geht davon aus, dass auch Asylwerber mit rechtskräftig abgelehntem Asylantrag Zeitungen austragen, denn es sind rund 400 Inder, die jährlich nach Österreich kommen, und keiner von ihnen bekommt Asyl. Falls das Ausliefern von Zeitungen ein Angestellten-Job wird, würden viele ihren Job verlieren. „Wir wollen ein Arbeitsrecht, das für alle gleich gilt“, sagt Proyer – und bekräftigt die Forderung nach Arbeitsmarktzugang für Asylwerber.