Eine ungemolkene Cashcow
by Bettina Figl
ÖH-Buchhandlung Facultas sitzt auf 8 Millionen Euro Rücklagen – Studierende haben kaum etwas davon – aus dem kleinen Kopierladen wurde Österreichs viertgrößtes Verlagshaus.
Acht Millionen Euro Rücklagen auf der hohen Kante, 400.000 Euro Gewinn machte Facultas im Vorjahr. Das meiste Geld wird mit dem Verkauf von Büchern gescheffelt, ihre Pflichtlektüre bekommen Studierende oft ausschließlich hier. Was viele von ihnen nicht wissen: Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) ist Eigentümerin des inzwischen viertgrößten Buchhandelsverlags Österreichs. Zu 50 Prozent gehört Facultas der ÖH an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, zu 50 Prozent der ÖH an der Uni Wien – und damit jener Körperschaft, die vor zwei Jahren das Café Rosa in der Währinger Straße gepachtet und mehr als 500.000 Euro in den Sand gesetzt hat.
Dieser Artikel ist am 20. Juli 2013 in der „Wiener Zeitung“ erschienen und im Original hier nachzulesen.
Diesem Finanzdebakel folgte ein Sturm der Entrüstung – immerhin sind es ÖH-Beiträge, die hier verpufft sind. Facultas ist medial ein unbeschriebenes Blatt. Dabei lohnt sich ein Blick in die Bilanz des Verlags, für den man allerdings schwindelfrei sein sollte: 2011 kratzte der Gewinn an der 900.000-Euro-Marke, ein Jahr später machte Facultas inklusive Töchtergesellschaften 30 Millionen Euro Umsatz. Doch auch andernorts wirtschaftet die ÖH erfolgreich: Sie steht hinter den als Stiftung betriebenen 16 Studentenheimen „Home4Students“.
Nummer 4 im Buchhandel
Doch zurück zu Facultas: Die Geschichte vom kleinen Kopierladen zur Nummer vier im österreichischen Buchhandel ist eine Erfolgsstory, wie sie im Buche steht: 1976 startete der Betrieb als Copyshop in der Berggasse, bis in die 1990er Jahre wurde er von Studierenden betrieben. Bei den Abrechnungen kam es zu Ungereimtheiten, frischgefangene ÖH-Vertreter waren damals wie heute von der Buchhaltung überfordert. Schließlich folgte man der Empfehlung des Gesetzgebers und gründete GmbHs: Der WUV Universitätsverlag und die Servicebetriebe der WU Wien waren geboren. Andernorts – an den Technischen Unis in Wien und Graz oder der Uni Innsbruck – blieb man bis heute bei dieser Unternehmensform, doch die Servicebetriebe der Uni Wien und der WU Wien fusionierten 2001 und wurden in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt. Seither lenkt Thomas Stauffer die Geschicke, er kaufte sukzessive Verlage und kleine Buchhandlungen auf, darunter sechs Dombuchhandlungen. Heute gibt es in ganz Österreich 20 Facultas-Filialen.
Tief in die Tasche greifen müssen Studierende, wenn sie Skripten und Bücher bei Facultas kaufen – einzig beim Kopieren sparen sie sich ein paar Euro.
Die Strategie ging auf: Facultas ist nach Thalia, Libro und Morawa der viertgrößte Buchhändler Österreichs. Laut seinen Statuten ist Facultas zwar zur Gemeinnützigkeit verpflichtet – doch die Preise sind nicht unbedingt auf das studentische Börserl ausgerichtet. Im Gegenteil: Daran, dass manch Pflichtlektüre nur hier erhältlich ist, verdient Facultas sehr gut. Über die Jahre haben sich acht Millionen Euro Rücklagen angesammelt, und statt den Gewinn an die ÖH auszuschütten, ging die Einkaufstour im Buch- und Verlagssektor weiter, auch über Österreichs Grenzen hinweg (siehe Grafik). Acht Jahre nach der Gründung der AG wurde die Cashcow zum ersten Mal gemolken: Auf Bestreben der ÖH Uni Wien wurden 70.000 Euro Gewinn ausgeschüttet, seither gingen jedes Jahr jeweils 35.000 Euro an die ÖH Uni Wien und an die ÖH WU Wien.
Sind das nicht Peanuts, angesichts von 30 Millionen Euro Umsatz? Wäre es nicht Sache der Studentenvertretung, mehr für ihre Basis zu tun? „Facultas ist der größte wissenschaftliche Fachbuchverlag Österreichs. So wird dafür gesorgt, dass für Studierende relevante Fachliteratur und Skripten einfach erhältlich sind. Die Standorte der Facultas-Verkaufsstellen sind universitätsnah und damit schnell und unkompliziert erreichbar“, heißt es in einem schriftlichen Statement des neuen ÖH-Vorsitzteams der Uni Wien, es verweist zudem auf das via Gewinnausschüttung finanzierte „Kopierpickerl“ – die knapp drei Euro Rabatt pro Kopierkarte sind aber auch schon alles, was Studierenden vom Facultas’schen Profit zugutekommt. Die ÖH an der WU Wien war in Ferienzeiten für keine Stellungnahme erreichbar. Spricht man mit ehemaligen ÖH-Vertretern, verbuchen diese das Kopierpickerl als ihren Erfolg. Mehr für die Studierenden zu tun, ist nicht so einfach: Die ÖH kann dem Geschäftsführer ihrer AG keine Weisungen erteilen – darin besteht der Unterschied zur GmbH. Und der Geschäftsführer denkt nicht daran, die Spendierhosen anzuziehen: „Ich habe auf das Wohl der AG zu schauen, nicht auf das Wohl des Eigentümers“, so Stauffer.
„Das Unternehmen weiß, dass es Ausschüttungen nie wieder zurückbekommt“, sagt Florian Nowotny. Er war vor rund zehn Jahren als Vertreter des Verbands Sozialistischer Studenten an der WU Wien federführend beteiligt, als die ÖH der Umwandlung in eine AG zustimmte – oder „nicht verhinderte“, wie er sagt. Wie kam es dazu? „Man wollte die Synergien nutzen, vor allem im Kopier- und Druckbereich.“ Die Geschäftsführung aus der Hand zu geben macht seiner Meinung nach Sinn: Alle zwei Jahre finden ÖH-Wahlen statt, damit würden sich die beteiligten Personen zu oft ändern. Nun beschickt die ÖH lediglich den Aufsichtsrat.
Kein Management-Buy-Out
Nowotny beschreibt Stauffer als „geschickten Geschäftsführer, der die Bedürfnisse der ÖH kennt“, von ÖH-Vertretern ist kein schlechtes Wort über ihn zu hören. Einzig, dass er vor einigen Jahren Facultas kaufen wollte, dürfte manchem sauer aufgestoßen sein. „Immer wieder gab es die Überlegung, ob ein Management-Buy-Out die Zukunft von Facultas absichern kann. Ich hätte es gerne ganz zu Beginn gemacht“, sagt Stauffer. Doch inzwischen sei auch ihm Facultas zu teuer geworden. Inge Kralupper, Geschäftsführerin des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, führt den Erfolg auf richtige Entscheidungen und gute Mitarbeiter zurück. Facultas hat mittlerweile über 100 Mitarbeiter.
„Wir werden Filialen schließen“
Doch das einstige Kerngeschäft Drucken und Kopieren rentiert sich kaum noch, erst vor drei Monaten sperrte die Off-Set-Druckerei zu. Stauffer setzt auf Online, E-Books und Bindeservice und will sich als lokaler Fachbuchhändler behaupten. Aber er ist skeptisch: „Ich traue mich nicht zu sagen, ob es in fünf Jahren in Wien noch eine medizinische Fachbuchhandlung geben wird.“ Das erstaunt angesichts des Erfolgs. „Bewertet wird immer nur die Zukunft, nicht die Vergangenheit. Wir werden Servicefelder verlieren und wir werden Filialen schließen“, sagt Stauffer.