Das Leben in der Warteschleife

by Bettina Figl

Patricia Muyumba (c) S. Jenis

Zehntausende Asylsuchende sind in Österreich zum Nichtstun verdammt – drei von ihnen im Porträt. Wien. Basil Haji ist der älteste Sohn seiner Familie, mit 13 Jahren floh er aus Syrien. Ähnlich die Motive der Armenierin Anna Markaryan: Ihr Bruder wurde politisch verfolgt, also verließen sie gemeinsam das Land. Die damals 17-jährige Patricia Muyumba trieb der kongolesische Bürgerkrieg im die Flucht. Ihre Geschichten sind unterschiedlich, und doch eint sie die Warteschleife, in der sie sich befinden, seit sie in Österreich um Asyl angesucht haben. Basil ist seit zwei Jahren in Österreich, Patricia seit acht Jahren, jeweils war der erste Asylantrag negativ, der zweite steht noch aus. Markaryan ist seit 12 Jahren in Österreich, ihre Asylanträge wurden beide abgelehnt, seit 2010 wartet sie, ob ihr humanitäres Bleiberecht gewährt wird: „Das Leben besteht nur aus Warten“, seufzt Markaryan.


Und das Warten ist meist mit Arbeitslosigkeit verknüpft: Nach wie vor besteht ein De-facto-Arbeitsverbot für zehntausende Asylsuchende (17.000 neue Anträge 2012). Dabei hätten sie viel zu bieten: In der armenischen Hauptstadt Jerewan studierte Markaryan am Konservatorium, ab ihrem 6. Lebensjahr spielte die heute 54-Jährige bis zu zehn Stunden täglich Klavier, später gab sie Konzerte und Unterricht. In Österreich hat sie in Kärnten zuerst in Hotels gearbeitet. Denn in der Gastronomie und Saisonarbeit dürfen Asylwerber arbeiten, jedoch maximal ein Jahr lang durchgehend – und so war auch dies für Markaryan keine Beschäftigung auf Dauer.

Ohne Job keine Wohnung
Was sie den ganzen Tag tut? „Im Zimmer sitzen“ und ihre Tochter und Enkelkinder besuchen. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von dem einmaligen Staatsopern-Besuch, den ihre Tochter ihr zum Geburtstag geschenkt hat. Sie wohnt in einem Haus der Caritas in der Blindengasse, 140 Flüchtlingen leben in dem Haus mit Blick auf die Schubhaftstelle der Polizei am Hernalser Gürtel. Die adrett gekleidete Pianistin wünscht sich nichts sehnlicher als eine eigene Wohnung, doch ohne Job bekommt sie keine.

Basil und Patricia wohnen in Wohngemeinschaften der Caritas, sie blicken hoffnungsvoller in die Zukunft. Patricia singt im Kirchenchor und arbeitet zwei Stunden pro Woche im Haus der Barmherzigkeit als Heimhelferin – unbezahlt. Die 24-Jährige erzählt, im Kongo sei sie ihrer Großmutter sehr nahegestanden, die Arbeit mit alten Menschen bereitet ihr viel Freude. Macht es sie wütend, keinen Lohn zu bekommen? „So ist das Gesetz“, sagt sie gleichmütig. Doch Gesetze kann man ändern: Zuletzt wagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer im April 2013 einen Vorstoß, in dem er – gegen den Willen der ÖVP – den Zugang zum Arbeitsmarkt zumindest für junge Flüchtlinge lockerte. Nun dürfen Asylwerber unter 25 Jahren eine Lehre antreten, wenn nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht. „Es stellt sich nur die Frage, was ein Lehrmangel-Beruf ist“, sagt Katrin Hulla, Rechtsberaterin der Caritas.

Der 17-jährige Basil könnte als einer der Ersten davon profitieren: Seit zwei Jahren ist er in Österreich, in fließendem Deutsch erzählt er: In Syrien war er Vorzugsschüler, wollte Arzt oder Anwalt werden. In Wien hat er eine Lehrstelle als Koch gefunden: Das Hotel Marriott will ihn anlernen, einen Schnuppertag hatte er bereits. „Er hat mich als Person beeindruckt“, sagt Personalmanagerin Gabriele Hasenauer. Sie nimmt in Kauf, dass ihr Lehrling jederzeit abgeschoben werden kann: „Wir wollen ihm eine Chance geben.“ Ob er die Beschäftigungsbewilligung tatsächlich erhält, entscheiden die Behörden – wieder einmal heißt es warten.

Dieser Artikel ist am 31.5.2013 in der Wiener Zeitung erschienen. Das Original ist hier nachzulesen.