Jogging-Hose, Hitlergruß und Reichsfahne
by Bettina Figl
Pegida kam nicht vom Fleck: Premiere in Wien mit bescheidenem Zulauf und 5000 Gegendemonstranten. „Nichts sag’ ich Ihnen, Sie verbreiten nur Lügen!“, sagt ein Mann und zieht seine Frau und seinen Sohn weg. Die Presse mag hier niemand: Einige Hooligans attackieren einen Fotografen, eine Journalistin wird bedroht, als sie twittern möchte. „Ich bin kein Rassist, meine Frau ist Rumänin, aber was da mit uns passiert, ist arg“, sagt der Mann schließlich und kehrt der Journalistin endgültig den Rücken.
Der Artikel von Marina Delcheva und Bettina Figl ist am 2.2.2015 in der Wiener Zeitung erschienen. Pegida-LIVE-BLOG zur Nachlese, mehr Fotos von Luiza Puiu in der Fotoslideshow auf WZ Online.
Langsam füllt sich am Montagabend der Platz auf der Freyung in der Inneren Stadt. Ein älterer Herr, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt empört: „Das G’sindl gehört an die Grenze und ab nach Hause. Wir haben im Ausland mehr Verbrecher, als wir Einwohner in Österreich haben.“ Und legt nach: „Ich bin kein Rassist, aber ihr schreibt ja sowieso, was ihr wollt.“
Laut Wiener Polizei konnte Pegida Wien bei ihrer Österreich-Premiere knapp 300 Demonstranten mobilisieren, um gegen die „fortschreitende Islamisierung Europas“ zu demonstrieren. Auf der anderen Seite, auf dem Stephansplatz, 5000 Gegendemonstranten. Ihre Buhrufe sind bis zur Freyung zu hören. Die Gegendemonstration endete um 19 Uhr auf dem Stephansplatz.
Nationalismus ist international
Noch bevor sich der Platz gefüllt hat, halten zwei vermummte junge Männer in schwarzem Hoodie und Jogginghose eine deutsche Reichsfahne in die Höhe. Einer von ihnen hebt drei Finger zum Gruß. „Wir haben diese Hetze selbst erlebt im Balkankrieg. Ich bin ein Nationalist und ich kämpfe für Österreich, gegen den Islam“, sagt er. Er stammt aus Serbien, wie er sagt. Sein Freund ist Österreicher und beide mögen keine Moslems. Diese seien „nicht fähig, sich zu integrieren“, und „eine Gefahr für Österreich“.
Die Pegida-Anhänger sind ein Sammelsurium: An vorderster Front steht eine Gruppe junger Männer mit Bierdosen, Hoodies und Glatzen, vermutlich Hooligans. Ein paar von ihnen tragen Schals oder Anstecker von Fußballvereinen. Zwei ältere Damen protestieren mit einem Transparent gegen Tierquälerei und religiöse Schächtung. Eine kleine Gruppe skandiert gegen Abtreibung. Sogar zwei Vertreter von Pegida-Bulgarien schwingen kleine Fähnchen. Unter den Pegida-Anhängern hat sich auch der frühere FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf gemischt. Und immer wieder beteuern alle, sie seien „eigentlich keine Rassisten“. Immer wieder ragt auch eine rechte Hand aus der Menge, immer eine andere. Journalisten berichten von Hitler-Grüßen, die sie in der Menge gehört haben wollen. Jemand ruf laut „za dom spremni“, ein kroatischer, rechtsradikaler Gruß.“Wir sind die Mauer, das Volk muss weg!“
Eigentlich wollte der Pegida-Zug über den Kohlmarkt in Richtung Graben marschieren. Gegen 18.45 Uhr hat aber eine Gruppe von zirka 200 linken Gegendemonstranten den Weg versperrt. Pegida ruft „Macht die Straße frei!“ und „Wir sind das Volk!“, die Gegendemonstranten antworten: „Wir sind die Mauer, das Volk muss weg!“ Ohne den angekündigten Spaziergang löst sich die erste Pegida-Demo gegen 20.00 Uhr langsam auf, ohne sich in Bewegung gesetzt zu haben. Die „Offensive gegen Rechts“ berichtet, eine Aktivistin sei zusammengeschlagen worden. Die Polizei konnte das nicht bestätigen.
Für den Österreich-Ableger der Pegida könnte diese Demo über Sein und Nichtsein entscheiden. „Zieht euch bitte etwas Herzeigbares an, benehmt euch gesittet, lasst euch nicht provozieren und seid kooperativ mit unseren zahlreichen Ordnern und absolut loyal zur Polizei! Wir müssen heute einen astreinen und guten Eindruck machen. Für Pegida Österreich hängt von diesem ersten Eindruck, den die Öffentlichkeit heute von uns gewinnt, sehr viel ab“, so Pegida Wien auf ihrer Facebook-Seite im Vorfeld. Die Aufforderung dürften nicht alle gelesen haben.
Noch vor dem ersten öffentlichen Auftritt hatte Pegida in Östereich mit Imageproblemen zu kämpfen. Wie Recherchen der „Wiener Zeitung“ ergeben haben, soll die Veranstaltung von einem amtsbekannten, dem rechtsextremen Lager zugeordneten Fußballhooligan angemeldet worden sein. Das Gesicht von Pegida Wien ist Georg Immanuel Nagel. Auf der Freyung ruft er mit dem Megafon die nicht ganz 300 Teilnehmer zur Einheit auf. Vor Pegida war er Stammautor bei den rechten Blättern „Zur Zeit“, herausgegeben von Wendelin Mölzer, und „Der Eckhart“.
Keine Schützenhilfe von FPÖ
„Ich rechne der Bewegung in Österreich keine großen Chancen aus. Die Themen sind schon durch die FPÖ und die Identitären abgedeckt“, so ein Sprecher des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“. Außerdem weise Pegida in Deutschland schon Zerfallserscheinungen auf. Der Mitbegründer Lutz Bachmann musste nach dem Eklat um ein Hitler-Selfie zurücktreten. Nach internen Streitereien hat sich auch Pegida Dresden als eigene Gruppe abgespaltet.
Von der FPÖ gibt es keine Schützenhilfe. Mit Ausnahme von Graf ist niemand von der ersten politischen Reihe bei der Demo. „An und für sich braucht es in Österreich keine Pegida, weil es die FPÖ gibt“, sagt FPÖ-Sprecher Martin Glier. Auch von der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung, die im Mai des Vorjahres in Wien marschiert ist, ist auf der Freyung nichts zu sehen. „Ein paar von uns werden sicherlich als Privatpersonen an der Kundgebung teilnehmen, aber wir werden nicht als Identitäre dort auftreten“, so der Identitären-Obmann Alexander Markovics. Nagel sei auch nie Mitglied der Identitären gewesen, sondern habe nur ein paar Veranstaltungen besucht.
Nach 21 Uhr sind die meisten Pegida-Anhäger nach Hause gegangen, „Wir werden wieder kommen“, kündigt Pediga-Sprecher Nagel an. Ob das seine Anhänger, die im Polizeikessel ausharrten, auch so sehen? Etwas überrascht echauffiert sich ein eingekesselter älterer Herr gegenüber einem Polizeibeamten: „Da ist auf einmal eine Einkreisung! Wie kann das sein?“ und „In München wäre das nicht passiert!“, sagt eine Pediga-Anhängerin. Auch den antifaschistischen Gegendemonstranten im Kessel reicht es scheinbar: „Wir wollen nach Hause gehen“, rufen sie, und auch von einem Journalisten-Kessel ist auf Twitter zu lesen, was der Polizei viel Kritik einbrachte.