Punkrock im Backofen

by Bettina Figl

Im „Fett Und Zucker“ im zweiten Bezirk gibt es Kuchen ohne Milch, Mehl und Ei

Melange und Sachertorte sucht man hier vergebens, dafür gibt es Espresso, Limonade und veganes Bananenbrot, das im ganzen Lokal seinen Duft verströmt. Platz genommen wird auf Flohmarkt-Sesseln oder einer Holzbank aus dem Burgenland. Die „Kronen Zeitung“ dient höchstens als Verpackungsmaterial, geschmökert wird in politischen Magazinen. Und auf den Ruf nach dem „Fräulein“ oder dem „Ober“ reagiert hier sowieso niemand.

Dieser Artikel ist am 01.06.2012 im „Wiener Journal“ erschienen.

Diesen Gegenentwurf zum Wiener Kaffeehaus hat die Architektin Eva-Maria Trimmel, die von allen „IiF“ genannt wird, aus dem Boden gestampft. Sie hat damit mitten im 2. Bezirk, nur einen Steinwurf vom Karmelitermarkt gelegen, eine Marktlücke besetzt: Denn ihre süßen Backwaren kommen oft ohne Milch, Eier oder Gluten aus-just jene Ingredienzien, gegen die immer mehr Menschen Unverträglichkeiten entwickeln.

Erst vor wenigen Jahren hat die 37-Jährige Backen als Freizeitvertreib entdeckt, sie knetete und rührte vorerst für ihren-darüber höchst erfreuten-Bekanntenkreis. Da ihnen in der Leopoldstadt ein „nettes Lokal ohne Kaffeehausmief“ für Sonntagnachmittage fehlte, trafen sie sich zum Kuchenessen in den eigenen vier Wänden, bald war eine Geschäftsidee geboren, die vergangenen Sommer in die Tat umgesetzt wurde: IiF schmiss den eintönig gewordenen Job als Architektin hin und mietete das Lokal in der Hollandstraße 16. „Ich wollte nicht mit 50 überlegen müssen, wie es gewesen wäre, wenn ich es probiert hätte“, erklärt sie dem „Wiener Journal“. Heute trifft sich nicht nur der erweiterte Freundeskreis in ihrem Kuchenlokal, sondern dieses ist inzwischen Anlaufpunkt für Menschen aus dem Grätzel mit Appetit auf Süßes. Wobei: Inzwischen gibt es auch pikante Strudel. Und weil es auf den wenigen Tischen schon einmal eng werden kann, gibt es alles auch zum Mitnehmen.

Egal ob Cheese Cake, Apfelstreuselkuchen, Brownies: „Kuchen macht glücklich“ lautet der Slogan des Lokals, ein Stück vom Glück kostet 2,50 Euro-und das, obwohl mit Bio-Eiern gebacken wird. Ansonsten wird auf biologische Nahrungsmittel verzichtet, um die Preispolitik beibehalten zu können. Das war IiF von Anfang an ein großes Anliegen, schließlich kennt sie genügend Menschen, die prekär leben-und auch die sollen es sich leisten können, nicht selbst backen zu müssen.

IiFs Motto lautete hingegen von Beginn an Do-It-Yourself: Die Einrichtung hat eine Freundin zusammengestellt, die Wände ein befreundeter Künstler beklebt. Andere halfen beim Spachteln, Streichen und Boden rausreißen. Und auch das Backen hat sich die Geschäftsfrau selbst beigebracht. Sie veränderte die Rezepte ihrer Großmutter und probierte vieles aus: Der Mohnvanillepowidlkuchen war eigentlich ein Unfall, heute ist er der nicht mehr wegzudenkende Liebling vieler Stammkunden. Er ist glutenund laktosefrei, andere kommen ganz ohne tierische Produkte aus. Margarine statt Butter, Banane statt Ei: Damit auch Menschen mit Unverträglichkeiten Kuchen essen können, gilt es, kreativ zu sein. Denn wenn man schon nicht alles essen kann, soll das, was man isst, sensationell schmecken, so IiF. Deshalb kommen ihre Kuchen auch-wie der Lokalname schon sagt-nie ohne Fett und Zucker aus. Manchmal wird sie gefragt, ob dieser nicht geschäftsschädigende Wirkung habe, und Frauen das Lokal mit dem expliziten Namen überhaupt betreten.

Der Name „Fett und Zucker“ ist jedoch bewusst gewählt und als Kritik am allgegenwärtigen Diätwahn gedacht. „Die Wahrnehmung Ihres Spiegelbildes könnte durch die Beeinflussung von Medien und fragwürdigen Schönheitsidealen beeinträchtigt werden“, steht neben dem Spiegel auf der Toilette. „Alle wissen, dass Diäten schlecht sind, weil dem Körper immer etwas fehlt“,führt IiF ihre Kritik aus, und weiter: „Wenn man mit Ernährung verantwortungsvoll umgeht, hat man ein schönes Leben.“

Die Lokalbesitzerin ist Teil des feministischen DJ-Kollektivs Quote, die knallrosa Fassade des Geschäftslokals ein Zeichen an die queere Community. Eine Feministin, die Kuchen bäckt-wie passt das zusammen? „Auch Feministinnen wollen Kuchen backen, es kommt darauf an, wie man es macht“,sagt IiF-man müsse aber aufpassen, nicht ins Biedere zu kippen: „Ich backe keine lieblich verzierten Törtchen und sehe mich weniger als Kuchenbäckerin denn als Unternehmerin.“ Dass sie durchaus feurige feministische Reden schwingen kann, kauft man ihr ab. Und lächelnd fügt sie hinzu: „Das Fett und Zucker hat den Punkrock in sich.“ Davon überzeugt man sich wohl am besten selbst.

Aktuell: Das Fett und Zucker findet man in der Hollandstraße 16 im 2. Bezrik in Wien. Es hat von Mittwoch bis Freitag von 13:00 bis 21:00 und am Wochenende von 11:00 bis 21:00. Seit kurzem gibt’s auch ein kleines  Frühstück – eine gute Alternative zum oftmals überfüllten Karmelitermarkt nebenan.