Eine Volksschullehrerin kündigt vier Wochen nach Schulbeginn. Was ist los in den Wiener Integrationsklassen?
Zwölf Jahre lang unterrichtete Gerda Huber*, eine zierliche Frau in ihren 50ern, in einer Volksschule im 11. Bezirk. Doch Ende September 2019, nach nur vier Wochen in einer 1. Klasse, zog sie einen Schlussstrich. Nach 27 Jahren als Pädagogin und wenige Jahre vor ihrer Pensionierung beantragte Huber die Auflösung des Dienstverhältnisses bei der Bildungsdirektion (die früher Stadtschulrat hieß, Anm.). Warum sie die Zustände an der Schule nicht mehr ertragen hat, erzählte sie der „Wiener Zeitung“ (teilweise in eigenen Worten, Namen der Lehrerinnen* von der Red. geändert).
„In der Gangpause kommt ein Mädchen zu mir und zeigt mir ein ‚Aua‘. Ich beuge mich zu ihr, betrachte ihren Finger, aber sehe nicht die geringste Verletzung. Ich vermute, sie will Aufmerksamkeit. Wer könnte ihr das verdenken, bin ich doch den ganzen Vormittag damit beschäftigt, die drei Kinder mit einer schweren geistigen Behinderung im Auge zu behalten. Ich antworte ihr: ‚Jetzt geht es gerade nicht, ich muss auf S. aufpassen.‘ Sie hat Verständnis und weiß, dass S. keine Sekunde ohne Aufsicht bleiben darf. S. hat, so wie die beiden anderen Buben, einen großen Entwicklungsrückstand. Sein Gleichgewichtssinn ist stark beeinträchtigt, dennoch ist er mobil. Er läuft gerade den Gang auf und ab und würde sofort die Stiege hinunterstürzen, wenn er versuchen würde, diese hinabzusteigen.“
Dieser Artikel ist am 31.3.2020 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.