Bahöl um Radparkplätze im Gemeindebau

by Bettina Figl

Von einem Tag auf den anderen werden Fahrräder aus einer Gemeindebau-Garage verbannt. Dürfen Räder nicht auf privaten Parkplätzen abgestellt werden? Die Frage wird den Mietern nicht beantwortet, der „Wiener Zeitung“ schon. Dieser Bericht ist am 11.5.2021 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

Als Sabine K. im April 2021 eine Fahrradtour unternehmen will, staunt sie nicht schlecht. Per Aushang wird ihr mitgeteilt, dass sie ihre Fahrräder nicht mehr auf ihrem privaten Garagenplatz abstellen darf: „Sollten die Fahrräder bis zum genannten Termin nicht entfernt werden, sehen wir uns gezwungen die Schlösser aufzuwickeln und eine Entrümpelung zu beauftragen“, heißt es in dem Schreiben von „Wiener Wohnen“, und: „Eine Entrümpelung der widerrechtlich abgestellten Gegenstände ist mit erheblichen Kosten für alle Mieterinnen und Mieter verbunden.“

K., die in einer Gemeindewohnung im 6. Bezirk wohnt, bezahlt für ihren Parkplatz monatlich knapp über 70 Euro und damit mehr als 840 Euro pro Jahr. Ihre beiden Fahrräder hat sie nach der Entrümplungs-Drohung sofort in Sicherheit gebracht. Grund für die Räumung wird ihr auch auf Nachfrage keiner genannt, auf Anfrage der „Wiener Zeitung“ schreibt eine Sprecherin von „Wiener Wohnen“ zunächst: „Gegen ein Fahrrad zusätzlich zum Auto, sofern Platz und keiner belästigt ist, gibt es keine Einwendungen.“

Autoparkplatz darf nicht für Fahrräder genutzt werden?

Darf man den Parkplatz also nur für Fahrräder nutzen, wenn dort auch ein Auto parkt? Auf diese Rückfrage hin versichert Andrea Janousek, Sprecherin von „Wiener Wohnen“: „Wir haben grundsätzlich keine Einwände, wenn Mieter Fahrräder auf ihrem Garagenparkplatz abstellen, aber aus Sicherheitsgründen raten wir davon ab.“ In den Parkgaragen von „Wiener Wohnen“ gäbe es nämlich keine geeignete Möglichkeit, Fahrräder sicher zu befestigen, und die Abgase sowie der Autoverkehr würden für Radfahrer eine Gefahr darstellen, so Janousek, und es gäbe für diesen Zweck ja auch den hauseigenen Fahrradabstellraum, das private Kellerabteil oder Fahrradständer.

„Wenn Platz und Interesse von mehreren Mieterinnen und Mietern vorhanden ist, werden auch Fahrradboxen im Außenbereich errichtet“, betont Janousek. In den 1.800 Wiener Gemeindebauten stehen derzeit 948 solcher Boxen.

Die MA 18 empfiehlt einen Radabstellplatz pro 30 Quadratmeter Wohnnutzfläche, doch die Realität in Wiener Wohnhäusern sieht oft anders aus, auch im Gemeindebau von Sabine K.: Der Fahrradraum sei „winzig und heillos überfüllt“, für eine Fahrradbox gäbe es an der Linken Wienzeile im dicht besiedelten 6. Bezirk nicht genügend Platz.

„Es gibt in diesem Haus keine Möglichkeit, Fahrräder vernünftig abzustellen“, klagt K. Nicht wenige Fahrradbesitzer stehen heute vor dem Dilemma: Räder in die Wohnung hinauftragen, den überfüllten Fahrradraum nutzen oder, die wohl diebstahlunsicherste Variante, auf der Straße stehen lassen? Erschwerend kommt hinzu, dass, so wie Sabine K., immer mehr Menschen mehr als ein Fahrrad besitzen. Denn ob Stadtrundfahrt, Rennstrecke oder Moutainbiketour: Etliche Fahrradaficionados haben sich für jede Gelegenheit ein eigenes Gefährt zugelegt. Inzwischen haben alle Mieter besagten Gemeindebaus ihre Fahrräder aus der Garage entfernt. K. hievt ihr schweres Elekto-Fahrrad nun nach jeder Ausfahrt in den Aufzug und transportiert es in den 6. Stock.

„Fahrräder sind keine Gefahrenquelle“

Die Frage, warum sie ihre Räder entfernen musste, wurmt die Mieterin immer noch. K. betont, dass ihre Fahrräder, die an einem Bügel am hinteren Ende ihres Parkplatzes befestigt waren, niemanden behindert oder gestört hätten.

Spricht womöglich generell etwas dagegen, Fahrräder in Garagen zu parken? Besteht etwa Brandgefahr? „In den feuerpolizeilichen Vorschriften der Länder werden weder Fahrräder noch Elektro-Fahrräder als Gefahrenquelle erwähnt. Das Einzige, was in diesem Fall feuerpolizeilich relevant sein könnte, sind Fluchtwege, wenn diese verstellt werden“, sagt Armin Kaltenegger, Verkehrsjurist am Kuratorium für Verkehrssicherheit, zur „Wiener Zeitung“. Sabine K. betont jedoch: Ihre Fahrräder hätten keine Fluchtwege behindert.

Die Hausverwaltung habe aber das Recht, hauseigene Regeln aufzustellen, die über das Gesetz hinaus gehen, sagt Kaltenegger, und tatsächlich heißt es im Mietvertrag von Sabine K.: „Die Mieterin verpflichtet sich, auf dem gemieteten Einstellplatz nur einen betriebsbereiten und mit Polizeikennzeichen versehenen Personenkraftwagen abzustellen. Die Benützung des Abstellplatzes für andere Zwecke ist untersagt.“

Da aber Sabine K. und auch andere Mieter seit Jahrzehnten ihre Fahrräder auf ihren Garagenparkplätzen abstellen, sagt Verkehrsjurist Kaltenegger: „Wenn etwas seit Jahren unwidersprochen praktiziert wird, können sich die Hausregeln ändern.“

Warum also musste Sabine K. ihren Parkplatz räumen? Nach mehrmaligen Nachfragen der „Wiener Zeitung“ und Nachforschungen seitens „Wiener Wohnen“ heißt es: „Wir tolerieren ein einspuriges Fahrzeug hinter dem PKW auf der Fläche des angemieteten Abstellplatzes, solange der PKW nicht herausragt, die Rangierfläche nicht behindert und das einspurige Fahrzeug nicht an Lüftungsschächten oder anderen Leitungen angekettet wird.“

Radlobby kritisiert fehlende Begründung

Im Fall der Mieterin K. war das E-Bike offenbar an einem Lüftungsschacht angekettet. Für Roland Romano, Sprecher der Radlobby, ist die Vorgehensweise von „Wiener Wohnen“ trotzdem nicht nachvollziehbar: „Jegliche Untersagung oder Entfernung muss gegenüber den Mietern begründet werden, erst dann kann man nachprüfen, ob der Vorwurf gerechtfertigt ist.“