„Das ist absolut nichts Unanständiges“

by Bettina Figl

(c) Luiza Puiu

(c) Luiza Puiu

Das Pentagon hat seit 2009 Forschung in Österreich in Millionenhöhe finanziert, den Großteil davon (5,4 Millionen Euro) das Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der öffentlichen Akademie der Wissenschaften erhalten, genauer: der Genetiker Josef Penninger für seine Brustkrebsforschung. Wie es dazu kam, warum es viel mehr Drittmittel bräuchte und weshalb er als Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums ungeeignet wäre, erzählt der Forscher im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“. Diese Fotos von Luiza Puiu geben Einblick in die Brustkrebsforschung, das Interview ist am 18.7.2014 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

Vorweg: Wie ist die Kooperation mit dem Pentagon zustande gekommen?

Josef Penninger: Ich habe einen Artikel in Nature publiziert, und dadurch ist die US-amerikanische Selbsthilfegruppe National Breast Cancer Coalition auf mich aufmerksam geworden. Sie meinten, meine Forschung sei wegweisend und sie haben mich aufgefordert, mich für den Innovator Award des US-Verteidigungsministeriums zu bewerben. Das habe ich getan, und konnte mich gegen 72 andere Mitbewerber durchsetzen.

Was genau wurde mit den rund fünf Millionen Euro finanziert, und hätten Sie ohne Pentagon-Gelder nicht auch forschen können?

Im Brustkrebsbereich hätten wir nicht in dieser Tiefe forschen können. Das Geld haben wir dazu verwendet, das IMBA zu einem Brustkrebs-Kompetenzzentrum auszubauen. Die Hälfte meines Gehalts und fünf Mitarbeiter können dadurch bezahlt werden. Hilfreich ist, dass das Projekt auf fünf Jahre läuft (normalerweise laufen Drittmittelprojekte drei Jahre, Anm.).

Wie sieht die Kooperation im Detail aus?

Es gibt Treffen, zu denen Wissenschaftler aus aller Welt eingeflogen werden, und wir entwickeln völlig neue Ideen etwa im Bereich der Bildung von Metastasen. Denn es gibt Frauen, deren Brustkrebs geheilt ist und nach zehn, zwanzig Jahren bricht der Tumor wieder aus. Da fragen wir uns: Wie wird das ausgelöst?

In Deutschland, von wo die Debatte ja ausging, hat ein Politiker der Linkspartei gesagt: „Das Militär forscht nicht, um Erfindungen im zivilen Bereich zu erlangen, es verspricht sich militärischen Nutzen und Verwertbarkeit“ – stimmen Sie dem zu?

Nein, und mir wäre auch völlig unklar, wie unsere Ergebnisse militärisch verwendet werden könnten. In den USA wird traditionell viel Forschung vom Pentagon finanziert. Das Geld wird nicht anders verteilt als beim FWF, ich habe bei unseren wissenschaftlichen Meetings noch nie einen Soldaten gesehen. In den USA machen Selbsthilfegruppen bei der US-Regierung Druck, damit Geld für Forschung bereitgestellt wird. Das sollte man in Österreich auch tun, die Frauen sollten auf den Putz hauen, damit die Regierung nicht nur Geld für Abfangjäger, sondern auch für Brustkrebsforschung zur Verfügung stellt.

Aber welche Interessen des Pentagons stehen hinter der Kooperation, wollte man Sie als Wissenschaftler anwerben?

Das gilt doch für alle Forschungsinstitutionen gleichermaßen, wenn man gut ist, wenn man gute Forschung macht, ist man natürlich gefragt.

Wer hat Sie angeworben?

Darüber spricht man nicht. Sie würden auch nicht erzählen, wenn jemand Sie abwerben würde wollen – es sei denn, Sie würden das Angebot annehmen.

War es das Pentagon?

Nein, da wäre ich völlig ungeeignet. Ich war Zivildiener.

Können Sie ausschließen, dass es in Österreich militärische Auftragsforschung gibt?

Ich kenne die Projekte anderer Institute nicht, daher kann ich mich nicht dazu äußern. Unser Projekt schließt militärischen Nutzen aus.

Laut Wissenschaftsministerium ist es die Freiheit der Unis Drittmittel zu beziehen, die Forscher selbst argumentieren: Wenn wir kein Geld vom Staat bekommen, müssen wir es uns von woanders holen. Nimmt sich dadurch nicht jeder aus der Verantwortung?

Es sollten viel mehr Drittmittel eingeholt werden. In Österreich gibt es viel zu wenige Drittmittelgeber. Wenn es die EU nicht gäbe, würden wir in unserem eigenen Brei weiterkochen. Alleine in New York gibt es 150 Drittmittelgeber: Stiftungen und private Selbsthilfeorganisationen wie etwa „run for cancer“. Wir sollten unser Gießkannenprinzip herunterfahren und kompetitiver werden.

Immer mehr junge Forscher werden über Drittmittelstellen nur für die Dauer eines Projekts angestellt. Führen mehr Drittmittel auch zu prekäreren Arbeitsverhältnissen?

Ich kenne superberühmte Harvardprofessoren, die fast den Nobelpreis bekommen hätten, die ihr Gehalt nicht von Harvard, sondern lediglich über Drittmittel beziehen. Dieses System ist ehrlicher, in den USA gibt es flache Hierarchien, und junge Wissenschaftler haben mehr Möglichkeiten, es zu schaffen. Bei uns bekommen das Geld nur die alteingesessenen Professoren.

Also muss man akzeptieren, dass Forschung prekär ist?

Ich verstehe die Angst vor Drittmitteln nicht. Angst haben nur die schlechten oder mittelmäßigen Forscher, die nichts weiterbringen.

Nun wird mehr Transparenz bei der Vergabe von Drittmitteln gefordert – sind Sie dafür?

Ich habe kein Problem mit Transparenz, man muss sowieso bei jedem Ansuchen angeben, von wem man noch Geld bezieht. Auch auf unserer Homepage ist alles öffentlich.

Inwieweit ist die Freiheit der Wissenschaft durch Drittmittel gefährdet?

Es ist einfach: Ich bin frei in der Publikation meiner Forschungsergebnisse, und die Patente bleiben bei meinem Institut.

Doch private Firmen verlangen oft Stillschweigen, ist das in Ordnung?

Es wäre schön, wenn wir mehr privates Geld bekommen würden. Das ist absolut nichts Unanständiges. Manchmal muss etwas geheim gehalten werden, wegen der Konkurrenz. Würden wir Details bekannt geben, würden wir uns selbst schaden.

Würden Sie auch Geld vom russischen Verteidigungsministerium annehmen?

Warum nicht? Wenn das Geld für Brustkrebsforschung verwendet wird, ist das doch wohl eine geniale Verwendung von Geld
aus jedem Verteidigungsministerium.

Zur Person
Josef Penninger (49) ist Genetiker und seit 2003 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.