„Mehr als Brustkrebsforschung“

by Bettina Figl

Tim Lawrence ist Kommandant beim Air Force Research Laboratory und leitet das dort ansässige Europäische Büro zu Luft- und Raumfahrtforschung, kurz EOARD.© US Air Force

Tim Lawrence ist Kommandant beim Air Force Research Laboratory (c) US Air Force

„Die Ergebnisse können viele Anwendungen haben“, sagt der Leiter des Büros zu Luft- und Raumfahrtforschung der Air Force. Warum ist Forschung in Österreich für das US-Militär interessant? Und handelt es sich tatsächlich nur um Grundlagenforschung, oder ist diese auch militärisch anwendbar? Ein Gespräch mit Tim Lawrence, Direktor des Europäischen Büros zu Luft- und Raumfahrtforschung mit Sitz in London. Das Interview ist am 30.7.2014 in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

Den Großteil der Pentagon-Gelder hat in Österreich Josef Penninger für seine Brustkrebsforschung bekommen (5,4 Millionen, Anm.) Warum?

Tim Lawrence: Das fällt in den Bereich der Bio- und Nanotechnologie, und man könnte meinen, dass in diesem Bereich anwendungsbezogene Forschung betrieben wird, aber wir betreiben Grundlagenforschung. Das Tolle an Grundlagenforschung ist, dass sie manchmal Entdeckungen hervorbringt, die in andere Felder führt. In den 1970er-Jahren ließen wir im Bereich der Mikroelektronik forschen, und dabei wurde die Computermaus erfunden. Das war ein Spin Off, der auf Grundlagenforschung basierte.

Also es geht um mehr als um bloße Brustkrebsforschung?

Korrekt. Grundlagenforschung kann viele Anwendungen haben.

Wieso finanziert die AFRL Forschung in Österreich, welche Strategie verfolgt sie damit?

Wir wollen international zusammenarbeiten, um sehr schwierige wissenschaftliche Projekte zu lösen. Wenn 50 Leute an einem Problem forschen, ist es wahrscheinlicher, schneller Lösungen zu bekommen, als wenn eine Person forscht. Wir haben in den USA Universitäten und wissenschaftliche Institutionen, aber international gibt es auch gute Forscher, und wir haben Büros in Südamerika, London und Tokio, mit denen wir die ganze Welt abdecken. Wir unterstützen die besten Institute, basierend auf ihren Projekteinreichungen, indem wir ihre Forschung finanzieren. Wir interessieren uns nicht nur für Forschung in Österreich, sondern für jedes Institut, das die Expertise hat, um Probleme zu lösen, die uns interessieren.

Welche Probleme sind das?

Derzeit vor allem Nanotechnologie, Umwelttechnologie, Quantenphysik und -computer.

Und was interessiert Sie noch?

Neue Entdeckungen bei Materialien, wir wollen mehr Effizienz bei der Funktion von Raketentriebwerken, wir forschen sehr viel zum Wetter im Weltall, hier geht es vor allem um bessere Vorhersehbarkeit. Sogar auf der Erde stimmen die Wettervorhersagen oft nicht, wir wollen die Sonnenrotation besser verstehen, das soll schnelleres Reisen ermöglichen.

Bei einem Projekt mit der TU Wien geht es um „Thermal Conductivity Designed Hard Protective Thin Films“ – was ist das?

Wenn wir Filme verwenden, dann um Material in einer sehr harschen Umgebung funktionsfähig zu machen. Jets oder Raketen sollen gegen Widrigkeiten wie Kälte oder Hitze widerstandsfähiger und robuster werden.

Zu diesem Projekt wollte die TU Wien keine Auskunft geben. Wieso?

Das weiß ich nicht. Ich schätze, dass der Wunsch von den Forschern kam. Normalerweise haben Forscher Angst vor Konkurrenz. Manchmal schränken wir die Verbreitung der Informationen ein, weil Forscher das wollen.

Also sind Sie prinzipiell für die Veröffentlichung der Ergebnisse?

Ja natürlich, das ist Grundlagenforschung, Veröffentlichungen sind hilfreich.

Gibt es sonst Auflagen? Wo liegen die Patente?

Es ist selten, dass wir Patente haben, das wäre ja gefährlich, wenn beispielsweise jemand, der die Schwerkraft entdeckt hat, ein Patent dafür anmeldet. In Grundlagenforschung gibt es kaum Patente, aber es kommt auf den Forschungsgegenstand an. Wir haben natürlich Verträge, die die Institutionen akzeptieren müssen.

Was schätzen Sie an der Forschung in Österreich?

Die Forschung, die ich bis jetzt aus Österreich gesehen habe, ist von sehr hoher Qualität. Ein sehr guter Wissenschafter ist Philipp Walther, er forscht an der Universität Wien zu Quantencomputern. Im Bereich der Quantencomputer könnten wir riese Durchbrüche erzielen und damit die PC-Performance verbessern. Insgesamt unterstützen wir in Österreich derzeit neun verschiedene Projekte finanziell.

Wie kommen diese Projekte zustanden?

Zuerst definiert das Air Force Research Laboratory, dem wir Bericht erstatten, welche Technologien militärisch interessant sind. Wir schreiben dann Projekte auf unserer Homepage aus, die betreffen aber nur Grundlagenforschung – wir betreiben keine angewandte Forschung. Wenn wir eine Lösung finden, kann das militärisch verwendbar sein, aber das zu definieren ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist, die Ergebnisse zu veröffentlichen.

Bemühen sich österreichische Wissenschafter zuletzt stärker um Drittmittel bei der Air Force, zumal sie in Österreich immer weniger Unterstützung bekommen?

Schwierig zu sagen. Derzeit ist unser Interesse an Nanotechnologie und Quantentechnologie groß, und hier sind Österreichs Forscher stark. Es besteht Interesse, aber in Europa arbeiten wir beispielsweise viel stärker mit Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien zusammen.

An welcher Stelle steht Österreich?

2013 haben wir 39 Länder finanziell unterstützt, und Österreich war an 12. Stelle. Das entspricht auch in Anbetracht der Projektzahl etwa dem Mittelfeld.

Seit wann gibt es Forschungskooperationen mit Österreich? Gab es die bereits vor 2009?

Die erste Zusammenarbeit geht in die 1960er-Jahre zurück, 1965 hatten wir ein Projekt mit der Universität Innsbruck namens „The Frequency Dependence of the Electric Parameters of Rock by Studying the Propagation of VLF Waves“.

Gehen Sie davon aus, dass das US-Militär künftig Forschung in Österreich stärker unterstützen wird?

Es kommt auf die technisch-wissenschaftlichen Probleme an, die es zu lösen gilt. Und ob wir in Bereichen forschen lassen, die zu den Bereichen passen, in denen Österreich stark ist. Jedes Jahr gibt es eine neue Liste von Problemen, die wir lösen wollen. Die Zusammenarbeit wird auf jeden Fall weitergehen – ob sie größer wird, ist schwer zu sagen.