Fuck Work
by Bettina Figl
Ich brauche keinen Urlaub, die Arbeit macht doch Spaß! Diese Art von Selbstausbeutung ist in Österreich seltener anzutreffen als etwa in den USA. Wer von seinem Tage nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave. So die Auffassung von Friedrich Nietzsche. Der Vergleich mit einer tatsächlichen Leibeigenschaft ist problematisch, doch Nietzsche hat Recht. Dieser Artikel ist am 2.10.2017 in der Wiener Zeitung erschienen.
Denn auch wenn Menschen einer Arbeit nachgehen, die sie interessiert, die sie gerne machen, die ihnen vielleicht sogar Spaß macht und in der sie aufgehen, lauert dahinter die fast noch größere Gefahr der Selbstausbeutung. Diese geschieht unter dem Deckmantel der Freiheit, schließlich ist sie selbst gewählt, und das macht sie noch effizienter als die Fremdausbeutung. Das lässt sich gut beobachten, wenn sich Menschen mit Enthusiasmus in die Arbeit stürzen, und bald darauf im Burnout landen. Urlaub, Freizeit? Brauche ich nicht, ich tue meine Arbeit ja gerne!
Nietzsche bezeichnete die „atemlose Hast der Arbeit“ als „das eigentliche Laster der neuen Welt“. Dass sich dieser Gedanke weder in der neuen, noch in der alten Welt durchgesetzt hat, ist schade. Stellenweise gibt es Versuche, das Nichtstun aus seinem lasterhaften Dasein zu befreien. Doch im Alltag der Menschen nehmen Müßiggang und Kontemplation nach wie vor einen geringen Stellenwert ein. Die Auszeit ist immer die Ausnahme, niemals die Norm, und nur dann positiv besetzt, wenn sie frei gewählt wurde. Wer gibt schon gerne zu, dass er oder sie arbeitslos ist? Man sagt dann verhohlen, man orientiere sich gerade neu oder sei in between jobs.
In Österreich kann es aber auch passieren, dass die Frage nach der Arbeitgeberin ohne Umwege mit „Hackn‘stad“ beantwortet wird, was bedeutet, dass man Arbeitslosengeld bezieht. Der Jobverlust ist aufgrund des Sozialstaates nicht sofort existenzgefährdend, Arbeitslosigkeit ist hierzulande weniger stigmatisiert.
Es soll schon passiert sein, dass US-Amerikaner verwundert nachfragen, ob – angesichts fünf Wochen Urlaub und anderen Sozialleistungen – das Leitthema der Österreicher „Fuck Work“ sei. Das ist natürlich eine Übertreibung, Burnout und andere stressbezogene Krankheiten haben auch hierzulande längst Einzug gehalten. Aber das völlige Aufgehen in der Arbeit, in der jede Art von Auszeit wie Urlaub mit dem Argument abgewehrt wird, die Arbeit mache ja Spaß, ist in Österreich dennoch seltener anzutreffen als etwa in den USA. Wie soll Gustav Mahler einmal gesagt haben? „Wenn die Welt untergeht, ziehe ich nach Wien; dort passiert alles 20 Jahre später.“
Buchtipp: Macht Arbeit glücklich? (2017)
herausgegeben von Philosophie Magazin und Reclam Verlag