Mit Essen spielt man doch

by Bettina Figl

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(c) hoelb_hoeb

Pimp my plate: Im brut wurden Hamburger, Sushi und Pizza einem Upgrading unterzogen

Man beißt in den Hamburger und denkt: „Frisch zubereitet schmeckt ein Burger ganz anders als von McDonalds“ – und stellt noch im selben Moment verdutzt fest: Dieser Burger stammt von ebendieser Fast-Food-Kette! Doch er wurde nicht im braunen Papiersack serviert, und statt dem obligatorischen Cola im Plastikbecher wird zu lateinamerikanischen Klängen Weißwein kredenzt.

Dieser Artikel ist am 23.2.2013 im „Wiener Journal“ erschinen und im Orginal hier nachzulesen.

Wir befinden uns im brut im Wiener Künstlerhaus, doch die Theaterspielstätte ist wie verwandelt: Anstatt in einem dunklen Zuschauerraum, sitzen wir an kleinen Tischen; die weißen, niedrigen Trennwände erinnern an die Kunstmesse Vienna Fair – und auch hier kommt Zeitgenössisches nicht zu kurz: Ringsum hängen Fotografien, Collagen, Malerei. Kein Wunder, dass der Hamburger vor solcher Kulisse und ohne Fritteusen-Geruch anders schmeckt als gewohnt.

Doch nicht einzig das Drumherum beeinflusst die Wahrnehmung: Der Burger ist zuvor einen „Upgrade“-Prozess durchlaufen: In der Performance-Küche wurde der Hamburger in seine Einzelteile zerlegt: Die Essiggurke entfernt, das Rindfleisch und die Laberl erst einmal beiseitegelegt. Dem Performance-Koch Mario Höber kann man dabei zusehen, wie er die roten Rüben mit Chili frittiert, und dann mit Fischöl und Sojasauce abgießt. Er mischt Honig bei, und schmeckt das ganze mit Dijon Senf ab. Es ertönt ein Glöckchen, das signalisiert: Der Burger kann nun abgeholt werden. Knusprige rote Rüben und cremiger Frischkäse ummanteln das Fleisch, ab und zu knackt eine Macadamianuss zwischen den Zähnen – einzig das labbrige Laberl erinnert noch an McDonalds.

Das Konzept ist ebenso simpel wie unkonventionell: Zehn Tage lang gastierte das Künstlerduo hoelb/hoeb im brut, um beliebtes Fast Food wie Burger, Pizza oder Sushi mit ein paar einfachen Handgriffen „upzugraden“. Das Essen ihrer Wahl konnten die Gäste via Internet selbst bestellen. Zur Wahl standen klassische Lieferservices, geordert werden konnte beim Inder genauso wie beim Türken.

Die Upgrade/Downgrade-Küche ist das Brainchild der Bühnenbildner Barbara Hölbling und Mario Höber. Seit 14 Jahren arbeiten die Künstler gemeinsam, erst war für sie Kochen der Ausgleich zur Arbeit im Atelier – bis sie beschlossen, ihren künstlerischen Fokus auf das Kochen zu legen.

Sie wollten mit ihrer Arbeit einen Raum schaffen, der menschliche Begegnungen zulässt: Den Besuchern sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre eigene soziale Rolle ebenso zu hinterfragen, wie ihre Betrachtungsweise.

Doch auch für Höber war es spannend, zehn Tage lang in die „komplett andere Rolle“ des Kochs zu schlüpfen. Für den Bühnenbildner stand in diesem Projekt allerdings der Geschmack, und nicht die Kunst im Vordergrund, sein Credo lautete: „Es soll so gut wie möglich schmecken.“ Ein wesentliches Element seiner Performance war die Überraschung: „Nur wenn Erwartungshaltungen nicht aufgehen, kann etwas Neues entstehen“, sagt Höber. „Ob bei McDonalds, in einem guten Restaurant oder beim Asiaten – der Verhaltenskodex ist überall ein anderer. Wir wollten die Chance geben, sich außerhalb dieses Kodex zu bewegen.“

Und doch ist zeitgenössische Kunst ein wesentlicher Bestandteil, kann man doch in einem Stuhl der im Vorjahr verstorbenen österreichischen Kunst-Ikone Franz West Platz nehmen. Zur Schau stehen überdies die „Weiße Leber“, ein frühes Werk von Franz Vana, eine Collage des jungen Steirers Christian Eisenberger oder Arbeiten des provokativen Künstlerkollektivs „Gelatin“. Auf dem Bildschirm hantiert ein chinesischer Fernsehkoch, einen Meter weiter hängt eine Fotografie von Rita Nowak, die den Künstler Heimo Zobernik in Dandy-Pose zeigt.

Doch das Hauptaugenmerk liegt auf der Performance: Von den Künstlern kann man sich nicht nur eine warme Mahlzeit zubereiten lassen, sondern auch ganz andere Dienstleistungen in Anspruch nehmen: Am „Arbeitsstrich“ werden Hemden gebügelt und Gedichte vorgetragen: „Als Künstler braucht man einen Plan B“, erklärt Hölbling augenzwinkernd, und doch ist die Kritik an der Kulturpolitik ernstgemeint, wie Höber anmerkt: „Die Förderungen für Künstler werden immer geringer“ – immer öfter müssten sich Künstler Gedanken über alternative Wege zur Geldbeschaffung Gedanken machen.

Und bevor der performative Abend zu Ende geht, wird es noch einmal humoristisch: Beim Dessert sollen die Gäste selbst künstlerisch aktiv werden – sie waren aufgefordert, dem Beispiel des Künstlers Markus Boxler zu folgen: Zuckerglasur, Schokosauce und Streusel werden nicht vom Teller, sondern vom Bart des Begleiters genascht … Und da sage noch einer, mit Essen soll man nicht spielen.