Österreich und die starken Männer

by Bettina Figl

Bei den österreichischen Nationalratswahlen haben die Regierungsparteien gewonnen. Der rechte Populismus verschiedener Parteien kam auch gut an.

Als Heinz-Christian Strache zwei Tage vor der Wahl die Bühne auf dem Stephansplatz in Wien betritt, stimmen rund 2 000 Anhänger den »HC«-Chor an. Der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) klopft schlechte Witze (»Ich werde keinen Burkini tragen«) und macht Stimmung ge­gen die Sozialdemokraten (SPÖ) und die christlich-konservative Volkspartei (ÖVP). Es ist die Abschlussveranstaltung eines Wahlkampfs, bei dem die rechtspopulistische FPÖ vieles richtig gemacht hat: Er war genau auf das Zielpublikum ausgerichtet, die FPÖ plakatierte »Nächstenliebe« und präzisierte, dass damit keine Migranten gemeint sind. »Die Türken«, »die Moslems«, »die Sozialschmarotzer« – Straches Feindbilder ziehen. Das Bier fließt, der Schlager dröhnt, auf rot-weiß-roten Bannern steht »Liebe zur Heimat«.

Dieser Artikel wurde am 10. Oktober in der Berliner Wochenzeitung „Jungle World“ veröffentlicht. Das Original gibt’s hier.

 

Auch nach den Wahlen am 29. September dürfte der FPÖ zum Feiern zumute sein. Zwar erhielten die Regierungsparteien SPÖ, mit knapp 27 Prozent, und ÖVP, mit 24 Prozent, wieder die meisten Stimmen, doch für beide war es das schlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg. Anders als befürchtet, lag die FPÖ mit 20,5 Prozent knapp hinter der ÖVP, doch »die Blauen« sind längst nicht mehr die einzigen Rechtspopulisten, die in Österreich starken Zuwachs haben: FPÖ, Stronach und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) kommen zusammen auf 30 Prozent der Stimmen, doch das BZÖ scheiterte an der Vier-Prozent-Hürde. Ins Parlament geschafft hat es hingegen der 81jährige Frank Stronach, mit 5,7 Prozent blieb sein im vorigen Jahr gegründetes »Team Stronach« allerdings hinter den Erwartungen zurück. Er unterhielt das Publikum, indem er in Fernsehinterviews Journalistinnen und Journalisten unterbrach und anpöbelte. Mit abstrusen Forderungen wie jener nach der Todesstrafe für »Berufsmörder« und offensichtlichen Wissenslücken manövrierte er sich aber selbst ins Aus. 25 Millionen Euro soll der Milliardär in den Wahlkampf investiert haben, zuvor hatte er Abgeordnete vom BZÖ für sich gewonnen.

Das BZÖ steht kurz vor dem Ende. Ihm wird Korruption vorgeworfen, aber auch gegen Vertreter fast aller anderen Parteien wird ermittelt. Dennoch konnten nur die Rechtspopulisten deutlich an Stimmen hinzugewinnen, die selbst in die Skandale verwickelt sind, und nicht etwa die Grünen, die plakatierten, sie seien »nicht so belämmert wie die anderen«. Sie gewannen nur zwölf statt der angestrebten 15 Prozent der Stimmen, verloren haben sie vor allem an die neue wirtschaftsli­berale Partei Neos, die fünf Prozent erhielt. Über 25 Prozent der Wahlberechtigten gingen nicht wählen, ein historischer Höchststand.

Die meisten Wählerinnen und Wähler von FPÖ und anderen Rechtspopulisten wollen sich zwar nicht in die rechtsextreme Ecke stellen lassen. Doch 61 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sehnen sich nach einem »starken Mann« – ob der nun Jörg Haider oder Strache heißt, ist offenbar zweitrangig –, und 41 Prozent meinen: »unter Hitler war nicht alles schlecht«, wie aus einer Umfrage für die Tageszeitung Der Standard hervorgeht. Das liegt unter anderem an der fehlenden Aufarbeitung der NS-Geschichte und an einflussreichen Boulevardblättern wie der Kronen Zeitung. Die Gratis-Zeitung Heute liegt massenweise in den U-Bahnen aus und hetzt unter anderem gegen Asylbewerber.

Regieren wird wohl wieder eine Koalition aus SPÖ und ÖVP, rechnerisch wäre aber auch eine Koalition aus ÖVP, FPÖ und Team Stronach möglich. Damit werden Erinnerungen an die Wahl im Jahr 1999 wach: Als nur drittstärkste Kraft koalierte die ÖVP mit Jörg Haiders FPÖ – mit den Korruptionsfällen von damals ist die Justiz bis heute beschäftigt. Sollte es tatsächlich eine Wiederauferstehung von »Schwarz-Blau«, eine Koalition aus ÖVP und FPÖ, geben, würde das neuerlich international für Aufsehen sorgen und Donnerstagsdemonstrationen, die damals zur Institution wurden, könnten die Folge sein.